Elfriede Hammerl

Wer ist Staatsbürger:in, wenn nicht ein hier aufgewachsener Mensch?

Ein bisschen mehr Dankbarkeit, ihr Schnösel, möchte man schreien, auf die Butterseite gefallen zu sein ist kein Verdienst!

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Staatsbürgerschaften sind im Allgemeinen etwas, worum sich Menschen nicht groß bemühen müssen. Entweder sie bekommen sie, weil sie in einem bestimmten Land geboren sind, oder weil (wie in Österreich) die Staatsbürgerschaft ihrer Eltern bei ihrer Geburt automatisch auch auf sie übergeht. In beiden Fällen kriegen sie sie einfach in die Wiege gelegt, ohne besondere Verdienste, Kenntnisse oder Fähigkeiten vorweisen zu müssen. Wären besondere Verdienste oder Fähigkeiten die Voraussetzung, würden wohl etliche österreichische Staatsbürger:innen keine sein. Die Generalsekretärin der ÖVP zum Beispiel. 

Ach so, Entschuldigung, der Satz geht weiter: Die Generalsekretärin der ÖVP zum Beispiel, eine vom Schicksal verwöhnte junge Frau, musste keinen Finger rühren, um österreichische Staatsbürgerin zu werden. Sie musste weder die Bundeshymne vortragen, noch die Namen von Maria Theresias Kinderschar aufsagen. Sie kam einfach als Tochter eines österreichischen Vaters (und einer aus Polen stammenden Mutter) zur Welt, und das war’s.

Trotzdem vertritt sie die Auffassung, die österreichische Staatsbürgerschaft sei ein hohes Gut, das man sich erst verdienen müsse. Ja, klar, hohes Gut steht außer Frage, aber was meint sie – was meint die ÖVP – mit dem Verdienen?

Darum geht es: um gleichen Schutz und gleiche Beteiligungsmöglichkeiten am politischen Geschehen.

Es gibt in unserem Land junge Menschen, die sind hier geboren, sprechen unsere Sprache, fühlen sich hier zu Hause, haben erfolgreich studiert, arbeiten was Nützliches und zahlen Steuern. Allerdings sind ihre Eltern keine österreichischen Staatsbürger:innen, und deswegen haben sie nicht dieselben Rechte wie andere hier lebenden Menschen mit der „richtigen“ Abstammung.

Was sollen sie denn tun, um sich die Staatsbürgerschaft des Landes, in dem sie zu Hause sind, zu „verdienen“? Wer oder was ist eine Staatsbürger:in, wenn nicht ein hier 
geborener, hier aufgewachsener, hier lebender, sich hier daheim fühlender Mensch?

Und was gibt privilegierten, weil mit der Staatsbürgerschaft gesegneten Gleichaltrigen das Recht, auf sie herabzuschauen als Menschen, die den Schutz ihrer Grundrechte durch den österreichischen Staat angeblich nicht verdienen?

Darum geht es nämlich: um gleichen Schutz und gleiche Beteiligungsmöglichkeiten am politischen Geschehen für Menschen, die schon längst den gleichen Pflichten nachkommen wie die Ansässigen mit dem einheimischen Pass – nicht um den finsteren Plan, zwielichtigen Fremden die hiesige Staatsbürgerschaft „nachzuschmeißen“, zwecks Zerstörung alpenländischer Traditionen und christlicher Werte.

Das wissen die streitbaren Bewahrer:innen unserer restriktiven Einbürgerungsgebote ja auch, so wie eh alle wissen, was hinter ihrem sturen Festhalten am Status quo steckt: die Furcht vor einem neuen Mix an Wähler:innen, der Mehrheiten zu ihren Ungunsten generieren könnte. (Was im Übrigen gar nicht gesagt ist. Zugewanderte und deren Kinder sind nicht zwangsläufig antikonservativ.)

Aber wahlstrategische Überlegungen sind das eine, Gefühle ein anderes. Nur: Wer sagt, dass es auf die Gefühle nicht ankommt? Und wie würden sich denn die stolzen Patriot:innen mit ererbtem Aufenthaltsrecht fühlen, wenn sie im heimatlichen Umfeld beharrlich als Fremde behandelt und auf ein „Heimatland“ verwiesen würden, in dem sie tatsächlich fremd sind? Ach so, das stellen sie sich gar nicht erst vor, weil es ihnen nicht passieren kann?

Womit wir wieder einmal bei einer Rätselfrage (für mich jedenfalls ist das eine) wären, der wir ständig begegnen: Wie schafft man es, das Auf-die-Butterseite-gefallen-Sein nicht als Glück, sondern als Verdienst und Leistung zu empfinden? 

Offenbar geht es ganz leicht, sonst wäre die Welt nicht so voll von empathiebefreiten Typen, die kalt lächelnd jegliches Unglück zum individuellen Versagen erklären und, wenn sie das Gesundheitssystem gestalten dürften, den Rollstuhlfahrer wegen seines bewegungsarmen Lebensstils zur Kasse bitten würden.

Das macht zornig. Ein bisschen mehr Dankbarkeit und Demut, ihr Schnösel, möchte man schreien, statt dass ihr euch im Selbstbegeisterungsrausch an die Brust trommelt: Ich bin weiß, ich habe den richtigen Pass, meine Eltern haben Kohle, mir fehlt es an nichts, und das alles steht mir zu!

Ihr dürft ja eh alles behalten, neue Staatsbürger:innen nehmen euch eure Pässe nicht weg, ihr müsst sie nicht bei euch einziehen lassen, euer Lebensstandard ist abgesichert, euch kann niemand die Butter vom Brot kratzen, und ihr dürft euch freuen, dass ihr es so gut getroffen habt – aber könnt ihr nicht wenigstens einsehen, dass euch all das unverdient in den Schoß gefallen ist, statt zu behaupten, ihr hättet einen genetischen Anspruch darauf?

Nein, können sie vermutlich nicht. Wollen sie vor allem nicht. Sie möchten ihre Privilegien moralisch untermauern, das gibt ihnen Sicherheit, wenn sie grinsend vom hohen Gut schwatzen, das erst verdient werden müsse. 

Ach, ungerechte Welt. Ärgerlich genug. Noch ärgerlicher, wenn die Profiteur:innen darauf bestehen, dass sie gerecht sei.