Wie viel Profit darf es denn sein?
Franz Schellhorn
Der Direktor des Thinktanks Agenda Austria schreibt regelmäßig Gastkommentare für profil.
Der Staat wird die hohen Gewinne der Energieversorger nun also doch mit einer Sondersteuer belegen. Einem Bericht der „Presse“ zufolge wollen die Regierungsparteien schnellstmöglich einen Initiativantrag einbringen, der die Milliardengewinne heimischer Stromkonzerne dem Staat zuführt. Die Sondersteuer soll rückwirkend eingeführt werden, ab einer gewissen Strompreishöhe werden 100 Prozent des erzielten Ertrages „vergemeinschaftet“. Ab welcher Preishöhe es unmoralisch wird, ist noch offen. Klar ist nur, dass das eingenommene Geld dabei helfen soll, jene milliardenschweren Antiteuerungspakete zu finanzieren, die von der Regierung seit Monaten ziellos im ganzen Land verteilt werden.
Der Applaus der Bevölkerung ist der Bundesregierung gewiss. Erstens halten es viele Bürger mittlerweile für die wichtigste Aufgabe des Staates, sie für steigende Preise zu entschädigen. Zweitens muss man kein radikaler Gewerkschafter sein, um es ein wenig sonderbar zu finden, wenn die Energieversorger noch nie da gewesene Milliardengewinne vermelden, während viele Haushalte nicht mehr wissen, wie sie die Strom- und Gasrechnungen bezahlen sollen. Das ändert nur leider nichts daran, dass die Bundesregierung mit dieser populistischen Sondersteuer eine Tür öffnet, die nur mehr schwer zu schließen sein wird. Jedes heute noch profitable Unternehmen wird sich fragen, wer als Nächster drankommt. Der Pharmakonzern, der mitten in der Pandemie ein dringend benötigtes Medikament auf den Markt bringt und damit hohe Gewinne einfährt? Der Lebensmittelkonzern, der die Bevölkerung trotz gerissener Lieferketten mit dem Nötigsten versorgt, seine Waren aber nicht zum Selbstkostenpreis abgibt? Der Lieferant der Photovoltaikanlage, der zweifellos zu den großen Krisengewinnlern zählt?
Die Politik hat darüber zu entscheiden, wie hoch die für alle Bürger und Unternehmen geltenden Steuersätze sein sollen. Sie hat aber nicht darüber zu befinden, welche Gewinnhöhen moralisch vertretbar sind und welche nicht. In zivilisierten Ländern schützt der Staat seine Bürger und Unternehmen vor Willkür, statt selbst einen Akt der politischen Willkür zu setzen. Genau das passiert aber mit einer nachträglich eingeführten Sondersteuer auf Gewinne einer einzelnen Branche. Dem Standort wird das nicht guttun. Denn das an potenzielle Investoren ausgesendete Signal ist klar: „Gehen Sie mit Ihrem Geld woanders hin! Sie sind zwar herzlich willkommen, Ihr Geld zu schicken, wenn österreichische Staatskonzerne wie der Verbund Kapital für den Ausbau der erneuerbaren Energien brauchen. Entwickeln sich diese aber richtig gut, zieht der Staat eine willkürlich definierte Gewinnobergrenze ein.“
90 Prozent des Verbund-Gewinns landen ohnehin beim Staat.
Der Schuss war offenbar gut zu hören. Allein der Unternehmenswert des Verbunds ist seit den ersten Debatten über eine Sondersteuer auf Zufallsgewinne um knapp 30 Prozent gesunken, obwohl der Versorger Profite in noch nie da gewesener Höhe einfährt. Darauf kann sich der Haupteigentümer Staat, bei dem auch ganz ohne „Übergewinnsteuer“ 90 Prozent des Verbund-Gewinns gelandet wären, etwas einbilden. Die Regierung hätte es auch billiger haben können; sie hätte nur eine weitere Sonderdividende einheben müssen, sehr zur Freude aller Eigentümer. So aber geht das gesamte Geld an einen einzigen Aktionär, noch dazu an jenen, der sich das dafür nötige Gesetz zimmern kann.
Für die SPÖ ist die Sache wiederum ein riesiger politischer Erfolg. Monatelang kampagnisierten die Sozialdemokraten gegen die „Übergewinne“, womit sie einen künstlich geschaffenen Propaganda-Begriff in die Welt setzten, den mittlerweile selbst Wissenschafter verwenden, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Obwohl niemand sagen kann, ab wann nun aus dem Zufallsgewinn ein moralisch verwerflicher „Übergewinn“ wird. Niemand wird bestreiten, dass die hohen Strom- und Gaspreise nicht dem Geschick des aktuellen Managements entspringen. Aber wenn das der Maßstab sein soll, diskutieren wir dann in der nächsten Rezession über „Untergewinne“, die von den Steuerzahlern auszugleichen sind? Es wird ja auch niemand behaupten wollen, dass eine globale Rezession dem Unvermögen heimischer Manager geschuldet sei.
Während hierzulande noch eifrig sonderbesteuert wird, bleiben wichtige Fragen unbeantwortet. Etwa jene, wie die drohende Unterversorgung mit elektrischer Energie in den kommenden Jahren abzuwenden wäre. Interessant zu wissen wäre auch, warum das mit reichlich Wasserstrom gesegnete Österreich zu den Ländern mit den höchsten Strompreisen der Welt zählt. Und wie es möglich ist, dass der Verbund mit seinen günstig produzierenden Wasserkraftwerken in der Bundeshauptstadt um ein Fünftel teurer anbietet als die mit hohen Kosten operierende Wien Energie. Vielleicht müsste ja dem Wettbewerb ein wenig auf die Sprünge geholfen werden? Von der Klärung dieser Fragen hätten die Bürger mehr als von einer populistischen Sondersteuer, die keine einzige Kilowattstunde Strom verbilligt, dafür aber dem Standort massiven Schaden zufügt.