5 Gründe, warum die Vorverlegung aus SPÖ-Sicht goldrichtig ist
Also doch: Wien wählt sechs Monate früher am 27. April. Diese Vorverlegung war für die Wiener SPÖ strategisch fast zwingend. Aus fünf Gründen:
1. Die Erzählung von Wien als linkem Bollwerk gegen Rechts war schon immer der beste (und einfachste) Garant, dass Grün-Sympathisanten im Zweifel SPÖ wählen, um einen Rechtsruck ihrer Stadt zu verhindern. Das hat Ludwigs Vorgänger Michael Häupl wiederholt mit seinem „Duell um Wien" (gegen Strache) vorgemacht. Wie wichtig Grün-Wähler für die SPÖ sind, hat nicht zuletzt die Nationalratswahl 2024 gezeigt. Die SPÖ Wien konnte dank der grünen Leihstimmen aus den inneren Bezirken gegen den Bundestrend zulegen. Diese Boll-Werk-Erzählung wäre noch taufrisch, wenn eine Regierung aus FPÖ und ÖVP angelobt wird - mit den Donnerstags-Demos als Megaphon auf der Straße. Es wäre nicht überraschend, wenn Sozialdemokratie, Gewerkschaft und eine SPÖ-nahe Zivilgesellschaft die Demos auch für den Wahlkampf nutzen.
2. Ludwigs Hauptkonkurrenten, FPÖ Wien-Chef Dominik Nepp, fehlte bisher das Format zum Bürgermeister - nicht zuletzt wegen seiner Fäkalsprache („Scheißblatt“ , „Klimakleber anpinkeln“). Er hat nun deutlich weniger Zeit, es aufzubauen.
3. Beim heikelsten Themenkomplex für die SPÖ - Ausländer, Integration, Kriminalität - ist gerade Entspannung angesagt. Der Familiennachzug aus Syrien nach Wien wurde vom ÖVP-Innenministerium massiv gebremst. Die Asylanträge nähern sich insgesamt einem Tiefpunkt. Im Frühsommer steigen sie meist wieder an. Dann hätte Wien bereits gewählt. Gleichzeitig wirken Sonderkommandos der Polizei gegen die 2024 ausufernde Messerkriminalität an Hotspots wie dem Reumannplatz. Dadurch reduzieren sich Meldungen im Boulevard, die von FPÖ und ÖVP mit dem Slogan „Kriminalitätshotspot Wien“ im Wahlkampf ausgeschlachtet werden können.
4. Heikel für die SPÖ sind auch die Themen Schulden und Teuerung. Die Neuverschuldung spitzt sich zu in Richtung vier statt zwei Milliarden Euro in diesem Jahr. Gleichzeitig steigen die Kosten der Verbraucher für Strom und Gas deutlich. Zorn auf die städtische Wien Energie bedeutet immer auch Ärger für die Bürgermeisterpartei. Doch davon könnten, im April ebenfalls noch taufrische, Debatten über andere Belastungen ablenken - jene durch ein blau-schwarzes Sparpaket. FPÖ und ÖVP wollen alleine 2025 sechs Milliarden Euro einsparen. Für das Jahr darauf müssen sie noch einschneidendere Maßnahmen auf den Weg bringen. Das wird nicht spurlos an den Bürgerinnen und Bürgern vorbeigehen.
5. Die Neos machen bei der Wahl-Vorverlegung mit, weil sie sich gemeinsam mit ihrem Regierungspartner SPÖ als „Gegenmodell“ zu einer blau-schwarzen Bundesregierung präsentieren wollen. Bisher wurden der ÖVP deutlich bessere Karten als ein künftiger Koalitionspartner der SPÖ zugeschrieben (nicht zuletzt wegen der starken Achse Ludwigs zum Wiener Wirtschaftskammer-Präsidenten Walter Ruck). Doch wenn die SPÖ im April in Richtung 40-Prozent-Marke geht und auch die Neos ein Anti-ÖVP-Momentum im Wiener Bürgertum nutzen können (wegen des Zusammengehens der ÖVP mit der FPÖ im Bund), hat Ludwig mehrere Optionen - oder kann zumindest den Preis treiben.