Gastkommentar

Zinssenkungen am Horizont

Die US-amerikanische Konjunktur ist ins Stocken geraten, und an den Börsen wurden zuletzt weltweit Negativrekorde gebrochen. Hat sich die US-Notenbank Fed zu viel Zeit mit der Zinssenkung gelassen?

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Wie sehr ist die amerikanische Konjunkturlokomotive diesen Sommer ins Stottern geraten, und wann kommt die erste Zinssenkung der US-Notenbank Fed? Das ist derzeit die zentrale Frage an den Finanzmärkten. Als Anfang August die US-Arbeitsmarktdaten enttäuscht haben, kam der Markt schnell zu der Überzeugung, dass die Wirtschaft in den USA möglicherweise eine Vollbremsung hinlegt. Sogar von einer drohenden Rezession war die Rede. Und damit war es dann nicht mehr weit zu der Annahme, die Fed habe sich mit ihrer ersten Zinssenkung in diesem Zyklus zu viel Zeit gelassen. Da Zinsänderungen, egal in welche Richtung, erst mit einer gewissen Verzögerung wirken, war diese Befürchtung ja auch nicht ganz von der Hand zu weisen. Wenn man dazu bedenkt, dass die Wirtschaft weder in Europa noch in China wirklich rundläuft, wird schnell klar, warum Wohl und Wehe der US-Konjunktur auch für die Weltwirtschaft von zentraler Bedeutung sind.

Die Anleger jedenfalls entschlossen sich, zuerst zu verkaufen und dann Fragen zu stellen. Weltweit gingen die Aktien in die Knie, besonders ausgeprägt waren die Kursverluste in Japan. Dort hatte die Notenbank kurz zuvor die Zinsen angehoben, was in die beginnende Schwäche der US-Konjunktur hinein eine zusätzliche Belastung darstellte. Es war angerichtet für einen Kursrutsch, der punktuell Rekorde brach. In den folgenden Tagen beruhigte sich das Geschehen zwar wieder. Dennoch bleibt das etwas flaue Gefühl im Magen der Börsianer, dass die starken Kursanstiege im ersten Halbjahr den Boden für eine ausgeprägtere Korrektur bereitet haben könnten.

Es war angerichtet für einen Kursrutsch, der punktuell Rekorde brach.

Damit sind alle Augen einmal mehr auf die Fed gerichtet. Das weltweite Notenbanktreffen, das jedes Jahr Ende August in Jackson Hole (Wyoming) stattfindet, wäre die perfekte Gelegenheit, um Hinweise auf die zukünftige Geldpolitik zu geben. Die nächste tourliche Fed Sitzung findet dann am 17. und 18. September statt. Dabei sollte man noch ergänzen, dass die US-Notenbank jederzeit die Möglichkeit hat, die Zinsen zu senken (theoretisch auch, sie anzuheben, aber das kommt eigentlich nie vor). Außertourliche Zinssenkungen sind sehr selten und vermitteln daher den Eindruck einer besonders dramatischen Situation. Man denke an die Wiedereröffnung des Handels nach dem 11. September (2001), an die Lehman-Pleite (2008) und den Beginn der Covid-Pandemie (2020). Anlass und zeitlicher Abstand sprechen hier eine deutliche Sprache. Kurzzeitig war auch jetzt die Rede von einer möglichen außerplanmäßigen Senkung, aber mit der Beruhigung des Handelsgeschehens traten diese Überlegungen dann wieder in den Hintergrund.

Zweifel gab es noch vor wenigen Wochen, ob die Fed relativ knapp vor der US-Wahl einen Zinsschritt setzen würde. Die Historie zeigt, dass in den Monaten vor einer Präsidentschaftswahl eine geringere Chance für eine Zinsänderung besteht als sonst. Angesichts der sich abkühlenden Konjunktur hat man derartige Überlegungen zuletzt aber verworfen. Am Markt wurde vielmehr diskutiert, ob die Zinssenkung im September im Ausmaß von 25 oder 50 Basispunkten erfolgen würde.

In Europa hat die EZB bereits im Juni eine erste Zinssenkung vorgenommen. Ein zweiter Schritt könnte im September erfolgen, insbesondere dann, wenn die Fed ebenfalls in den Senkungszyklus einschwenkt. In der Folge erwartet der Markt dann eine Zinssenkung pro Quartal in der Eurozone, und zwar bis Ende nächsten Jahres. Eine derartige Serie von Zinssenkungen wäre übrigens auch bei der Finanzierung der „Green Transition“ enorm hilfreich. Dabei geht es um das monumentale Unterfangen, die Abkehr von fossilen Brennstoffen zu finanzieren und Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen.

Monika Rosen

Monika Rosen

Monika Rosen kommentiert als Börse-Expertin regelmäßig das Geschehen an den internationalen Finanzmärkten. Nach Studiengängen ist Österreich und den USA startete sie 1989 ihre Karriere im Bankgeschäft, seit vielen Jahren ist sie die Chefanalystin im Private Banking der Bank Austria.