Gastkommentar

Zum Muttertag: Perspektiven statt Blumen

Mütter verdienen zehn Jahre nach der Geburt eines Kindes nur die Hälfte dessen, was Väter verdienen. Es braucht eine Perspektive für junge Frauen, aus eigener Kraft Eigentum und Karriere aufbauen zu können.

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Von Monika Köppl-Turyna

Die deutsche Kolumnistin Katja Berlin schlüsselte in ihren „Torten der Wahrheit“ einmal provokant auf, „was Mütter falsch machen können“, nämlich: „arbeiten gehen“ (50 Prozent) und „nicht arbeiten gehen“ (50 Prozent). Dieses Missverhältnis zwischen Privatleben und Karriere ist nicht nur unangenehm, weil sich die Betroffenen für jede Entscheidung rechtfertigen müssen. Es zieht auch langfristige ökonomische Folgen nach sich.

Nach verschiedenen Berechnungen des sogenannten „Motherhood Pay Gap“ – also der Lücke, die sich zwischen den Einkommen von Männern und Frauen nach der Geburt eines Kindes auftut – verdienen Frauen auch zehn Jahre nach der Geburt nur etwa die Hälfte dessen, was Männer beziehungsweise Väter verdienen. Über das gesamte Erwerbsleben summieren sich die Verluste auf den Gegenwert einer mittelgroßen Eigentumswohnung in Wien. Das bedeutet, dass der Gender-Pay-Gap eigentlich ein Motherhood-Pay- Gap ist. Werden Mütter also diskriminiert und in ungünstige Arrangements gezwungen? Nicht unbedingt. Es ist aber eine wissenschaftliche Herausforderung, herauszufinden, inwieweit die Entscheidungen von Müttern frei von Zwang sind. Es gibt einige Elemente, die nachweislich eine Rolle spielen, auch wenn die Wissenschaft nicht genau sagen kann, wie viel jedes Element ausmacht.

Es ist unstrittig, dass biologische Faktoren eine untergeordnete Rolle spielen.

Erstens: Es ist unstrittig, dass rein biologische Faktoren – also die Geburt und die anschließende Erholungsphase der Mutter – eine untergeordnete Rolle spielen. Tatsächlich sind die Einkommensverluste bei natürlichen und Adoptiveltern ähnlich hoch. Vielmehr beeinflussen längere Teilzeitphasen eines Elternteils, in der Regel der Mutter, die Einkommensunterschiede. Zweitens sind die Einkommensverluste der Mütter bei gleichgeschlechtlichen Paaren deutlich geringer als bei heterosexuellen Paaren. Vielleicht sind es also tatsächlich die unterschiedlichen Präferenzen der Geschlechter, die den Unterschied erklären? Drittens handelt es sich in vielen Fällen schlicht um eine rationale Entscheidung der Familien. Denn es liegt nahe, dass sich vor allem der Partner um das Kind kümmert, der weniger verdient. Und das sind häufig die Frauen. Viertens: In Ländern, in denen traditionelle Familienrollen vorherrschen, sind die „Kinderstrafen“, also die Einkommenseinbußen nach der Geburt des ersten Kindes, höher. Das bedeutet wiederum, dass Familienarrangements weniger mit Entscheidungen der Eltern und mehr mit gesellschaftlichen Vorstellungen zu tun haben. Und hier zeigt sich im internationalen Vergleich: Österreich gehört gemeinsam mit Deutschland zu den Ländern mit den höchsten Einbußen.

Was können wir dagegen tun? An erster Stelle wird der Ausbau der Kinderbetreuung genannt. Diese Lösung geht jedoch von einer gewagten Annahme aus: dass Teilzeitarbeit von Müttern ausschließlich unfreiwillig ist. Das Bild ist differenzierter. So zeigt eine Studie aus Österreich, dass sich der Gender-Gap nach dem Ausbau der Kindergärten nicht wesentlich verändert hat. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass in der Vergangenheit vor allem neue Plätze geschaffen wurden, während eine Ausweitung der Öffnungszeiten sehr selten war. Das hatte zur Folge, dass die Erwerbstätigkeit für Frauen, die ohnehin arbeiten wollten, durch den Ausbau erleichtert wurde. Die Präferenzen anderer Frauen dürften sich durch den Ausbau nicht verändert haben. Interessant wäre allerdings, zu untersuchen, wie groß der Effekt ist, wenn die Öffnungszeiten der Kindergärten tatsächlich so ausgeweitet würden, dass beide Partner länger arbeiten könnten. Arbeiten etwa aus Deutschland bieten optimistische Befunde dazu. Eines ist jedenfalls klar: Der Ausbau der Kinderbetreuung bietet Chancengleichheit und bessere Bildung für die Kinder.

Ökonomische Folgen kaum thematisiert

Die ökonomischen Konsequenzen von Entscheidungen müssen viel stärker thematisiert werden. Teilzeitarbeit bedeutet eine niedrige Pension. Betrachtet man nur die tatsächlichen Versicherungszeiten (ohne Teilversicherung für Kindererziehungszeiten), erhalten Frauen um 60 Prozent niedrigere Pensionen als Männer. Trotz Ausgleichszulage und aller Teilversicherungen bleiben diese immer noch um 40 Prozent niedriger. Es kann sein, dass diese Tatsache vielen nicht bewusst ist. Leider ist die Finanzbildung in Österreich vergleichsweise schlecht und bei Frauen noch etwas schwächer ausgeprägt.

Schließlich braucht es eine Perspektive für junge Frauen, aus eigener Kraft Eigentum und Karriere aufbauen zu können. Dieses Bild des Aufbaus und des Aufstiegs ist für viele verloren gegangen. Während die Verbraucherpreisinflation von 2010 bis 2021 bei knapp über 30 Prozent lag, haben sich die Immobilienpreise in Österreich in diesem Zeitraum mehr als verdoppelt. Die hohe Belastung der Arbeit mit Steuern und vor allem SV-Beiträgen ist in den letzten 20 Jahren trotz unzähliger Steuerreformen mehr oder weniger konstant geblieben. Wer mehr Anreize für alle – auch für Mütter – schaffen will, muss sich grundsätzliche Gedanken über unser Abgabensystem machen.