„505“-Bande: Was tun, damit junge Syrer nicht kriminell werden?
Seit Wochen beschäftigt der Bandenkrieg zwischen jungen Tschetschenen und syrischen Anhängern der „505”-Gruppe Wien. Junge Männer aus den Communities bekämpfen sich in Parks in Brigittenau oder Favoriten oder gehen mit Waffen vor Bahnhöfen aufeinander los, die sie, wie die WZ aufgedeckte, in Excalibur-City an der tschechischen Grenze einfach so kaufen können. Der Diaspora bereiten vor allem die syrischen jungen Männer große Sorgen, sie werden von den Älteren als „Bahnhofskinder“ bezeichnet, mit denen man nichts zu tun haben will.
In der syrischen Community ist eine Art Entfremdung zu beobachten, ordnet Tarafa Baghajati, Obmann der Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen (kurz: IMÖ) ein. Junge Syrer:innen, die seit 2019 nach Österreich kommen, haben einen großen Teil ihre Lebens in Flüchtlingslagern oder als Fabrikarbeiter:innen in der Türkei verbracht, einige von ihnen haben nie eine Schule besucht, sind Analphabet:innen; gelten als „schwer integrierbar“.
Das bemerkt auch Streetworker Christian Reiner. Er ist Geschäftsführer des Vereins „Rettet das Kind“ und bekommt die Konflikte zwischen syrischen und tschetschenischen Jugendlichen aus nächster Nähe mit: „Es sind nicht sehr viele Personen, aber sie sind stark wahrnehmbar“. Seit der Pandemie hat sich das Verhalten der Jugendlichen verschärft.
In Meidling gab es etwa große Probleme im Jugendzentrum. Nachdem fünf Teenager Stimmung gegen die Sozialarbeiter:innen gemacht haben sollen, musste der Verein den Meidlinger Jugendtreff kurzzeitig zusperren. Nach einiger Zeit bereuten einige Jugendliche ihr Verhalten und vermissten den alten Treffpunkt. „Nach jeder positiven Entwicklung holten wir wieder eine Sache in den Jugendtreff und bauten ihn neu auf“, erzählt Reiner. Die fünf Burschen dürfen nicht mehr hinein, sie befinden sich in Einzelbetreuung.
Doch was kann man präventiv machen, damit es gar nicht erst zu Straßenschlachten und Bandenkriminalität kommt?
Laut Josef Böck, einem pensionierten Kriminalbeamten, der den „Fair und Sensibel“-Verein leitet begeht man in Österreich gleich zu Beginn einen großen Fehler: „Wir lassen sie (Anm. minderjährige Flüchtlinge) nicht gleich in den Arbeitsprozess einführen, sondern man gibt sie in Massenquartiere.“
Der Verein „Fair und Sensibel“ hilft minderjährigen syrischen Geflüchteten dabei, in Österreich Fuß zu fassen. Den Syrer:innen wird zum Beispiel erklärt, wie österreichische Behörden funktionieren, sie bekommen syrische Bezugspersonen, die schon lange hier leben und sie dabei unterstützen sollen, sich zu integrieren. Ein Drittel der – meist männlichen – Geflüchteten ist bereits gut ausgebildet, einige junge Syrer:innen können jedoch weder lesen noch schreiben.
Österreich lässt die Jugendlichen alleine, kritisiert Böck – dies sei seiner Meinung nach auch der Hauptgrund, weshalb die sie in die Kriminalität hineinrutschen. Zum einen haben sie ohne Arbeitserlaubnis keine Perspektiven und vergleichen sich auf Social Media mit österreichischen Jugendlichen, denen es besser geht, zum anderen ist ihr ganzes Leben geprägt von den Auswirkungen des Bürgerkriegs in Syrien. Viele dieser Jugendlichen hatten nie die Möglichkeit, eine Schule zu besuchen, mussten jahrelang in Flüchtlingslagern leben und waren von Kind auf umgeben von Krieg, Gewalt und Armut.
Wichtig ist es, so Vereinsleiter Böck, den Geflüchteten dabei zu helfen, sich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren – bevor sie kriminell werden.
In der tschetschenischen und syrischen Diaspora hat man das Bandenproblem jedenfalls ernst genommen. Ältere Respektspersonen aus den Communities sollen sich zu Friedensgesprächen getroffen haben, um dem Bandenkrieg der Jüngeren ein Ende zu setzen. Mehr zu den Verhandlungen lesen Sie im Artikel von meiner Kollegin Clara Peterlik und mir im neuen profil.