Morgenpost

Abfangjäger über Wien

Das Bundesheer bringt sich in Stellung – oder doch nicht?

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Wer in den kommenden Tagen durch die Wiener Innenstadt spaziert, darf sich nicht schrecken. Das Bundesheer fährt nämlich die Festtagsgeschütze zum Nationalfeiertag auf – und das so stramm und stolz wie schon lange nicht mehr.

Der Krieg ist zurück in Europa. Der russische Angriff auf die Ukraine hat offenbar ein Umdenken in der Bundesregierung ausgelöst und über 16 Milliarden Euro im Budget locker gemacht. Das Bundesheer soll mit dieser Finanzspritze von einer bewaffneten Feuerwehr zur modernen Armee aufgerüstet werden, wie Iris Bonavida und Gernot Bauer im aktuellen profil recherchierten. 

Wir möchten Sie so früh am Morgen wirklich nicht beunruhigen, aber dass Österreich nicht in der Lage ist, sich gegen einen Raketen- oder Drohnenangriff zu verteidigen, macht deutlich, in welch marodem Zustand sich das Heer derzeit befindet. Spannend: Laut einer exklusiv für profil durchgeführten Umfrage lehnt die Mehrheit der Österreicher:innen die zusätzlichen 16,6 Milliarden Euro fürs Heer ab. Noch spannender: Der Generalstabschef des Bundesheeres, Rudolf Striedinger, hat privat eine andere Meinung zur Neutralität, als er sie in seiner Funktion auf oberster Ebene der Streitkräfte haben muss - wie Sie im aktuellen E-Paper nachlesen können.

Derzeit sind 1100 Soldatinnen und Soldaten im Assistenzeinsatz, 351 von ihnen sind Grundwehrdiener. 

Außerdem fehlen Österreich für eine echte Landesverteidigung die Rekrut:innen. Und das beginnt auf der untersten Ebene: Knapp 16.000 junge Männer traten im vergangenen Jahr ihren Grundwehrdienst an, im Jahr 2006 waren es noch rund 31.000. Deshalb hat Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, ÖVP, 2021 die Teiltauglichkeit eingeführt. Präsenzdiener mit geringen Einschränkungen sind seitdem nicht mehr untauglich für den Wehrdienst, sondern werden für bestimmte Tätigkeiten eingesetzt. Durch diese Reform erhoffte sich Tanner 1200 Wehrpflichtige und 800 Zivildiener zusätzlich pro Jahr. profil liegen nun aktuelle Zahlen vor, sie zeigen: Das Ziel wurde verfehlt, und zwar deutlich, wie Sie hier nachlesen können. Kurz gesagt: Man hat sich durch die neue Regelung rund 1200 weitere Grundwehrdiener erhofft. Im Vorjahr waren es aber nur rund 630 zusätzlich Wehrpflichtige, die man schlussendlich durch die Neuerung verpflichten konnte. 

Aber zurück in die Wiener Innenstadt: Dort zeigt das Aufgebot der diesjährigen Leistungsschau des Bundesheeres, dass man sich nach zwei Jahren pandemiebedingter Einschränkungen wieder stolz der Öffentlichkeit präsentieren möchte: Panzer, Flugsimulator, Fallschirmspringer – ja sogar zwei Eurofighter und eine Hercules Transportmaschine sollen über den Heldenplatz fliegen. Die Ankündigung der Finanzspritze hat wohl auch zu breiteren Schultern in der Rossauer Kaserne geführt. Der ORF überträgt live, Oscarpreisträger Stefan Ruzowitzky hat auch wieder exklusive Videos für das Bundesheer produziert.

Gestärkt aus der Krise? Vielleicht gilt das ja wenigstens für die Landesverteidigung. 

Einen schönen Dienstag - und vorab einen schönen Nationalfeiertag

 

 

Maximilian Mayerhofer

Maximilian Mayerhofer

war bis Mai 2023 Online-Redakteur bei profil. Davor war er beim TV-Sender PULS 4 tätig.