Advent, Advent, der Hut brennt
Ich möchte sie an diesem Montag mit einer politischen Adventsgeschichte aufwecken. Es kommt auch ein Wiener Wolf vor. Wach?
Sie spielt im Wald. Genauer genommen im Wienerwald. In Kaltenleutgeben. Dort hat der Wolf Ende Oktober fünf Schafe gerissen, weswegen nun amtlich ist: Er heult bereits über Wien.
Der Wolf spaltet Österreich wie sonst nur die Corona-Impfung. Und er spaltet nun auch Kaltenleutgeben. In einem Lager heißen die Bürgerinnen und Bürger das Raubtier „willkommen“. Im anderen Lager schüttelt man den Kopf über die Wolfskommenklatscher.
Der Grüne Vize-Bürgermeister steht im ersten, der blaue Gemeinderat und Jäger im zweiten Lager. Zwei Welten. Blau vs. Grün. Wolf vs. Nicht-Wolf. Mehr Polarisierung geht nicht. Eigentlich. Doch die beiden verlieren kein schlechtes Wort übereinander. Verstehen sich offenbar blendend. Empfehlen sich als Gesprächspartner. Weil sie in erster Linie Kaltenleutgebner sind.
Was der Ort verbindet, kann der Wolf nicht scheiden.
Arbeitslos zu Weihnachten
Warum diese Begegnung zur Adventsgeschichte hochjazzen? Weil sie ein krasses Gegenstück zu dem ist, was in Österreich abgeht. Mit einer Polarisierung, wohin das Auge reicht. Und weil es einen Ort gibt, der es Wert wäre, zusammenzurücken: Den Standort. Der bröckelt. Jeden Tag mehr.
Wer wie die 460 Mitarbeiter des Autozulieferers Schäffler in Berndorf (Niederösterreich) weiß, dass 2025 das Werk schließt und der Job weg ist, hat wenig Kopf für politische Kleinkriege.
Wer wie die 110.000 Bewohnerinnen und Bewohner des Bezirks Braunau in Oberösterreich, wo fast die Hälfte in der Industrie arbeitet, vor einer Pleitewelle zittert, ausgelöst durch die Insolvenz des Motoradherstellers KTM, hält sich nicht mit politischen Farbenspielen auf.
Sprachlos in der Schule
Und wer – Wechsel zum Bildungsstandort – als Volksschullehrkraft damit rechnen muss, dass jeder zweite (Wien) oder jeder fünfte (Österreich) Schüler in der ersten Klasse ohne Deutsch vor ihr sitzt, macht sich wohl mehr Gedanken über die „Lost Generation“ von morgen als die medial hochgejazzten Scharmützel von heute.
Aus dieser Perspektive ist es nicht mehr spielentscheidend, ob sich Journalistinnen und Journalisten auf der als rechts gelesenen Social Media-Plattform „X“ oder der als links gelesenen Plattform „BlueSky“ tummeln; ob ein getriebener PR-Mann irgendwann Parteichef der SPÖ werden will und Pressekonferenzen gibt, als wäre er es bereits; welchen Weg bei der Budgetsanierung die „DreiKo“ (Dreier-Koalition aus Türkis, Rot, Pink) einschlägt. Der muss ja sowieso in der Mitte liegen.
Schule fixen mit dem Kruzifix?
Und auch die Frage, wie viel zusätzliche Kruzifixe FPÖ und ÖVP in niederösterreichischen Klassenzimmern aufhängen – als Signal gegen den Islam - verdient das Prädikat Symbolpolitik. Wie oft gehen die Verteidiger des Abendlands selbst in die Messe? Na? Egal. Sollen sie so viele Kruzifixe aufhängen, wie sie für nötig halten. Aber zuerst das Schulsystem fixen für Kinder, die sich schwerer tun. Und die haben oft Migrationshintergrund. Und werden später als Arbeitskräfte benötigt, damit der Standortmotor wieder anspringt.
Von der aktuellen Standortpleite sind in diesem Advent Christen, Muslime, Atheisten, Orthodoxe, Blaue, Rote, Türkise gleichermaßen betroffen.