Morgenpost

Ärger im Emirat: Ex-Chef von mutmaßlichem Austro-Russlandspion in Finanzaffäre verstrickt

Die Aufsichtsbehörde von Dubai verhängte kürzlich Strafen gegen einen dort ansässigen Österreicher und dessen Finanz-Firma. In der Unternehmensgruppe war früher auch ein Ex-Abteilungsleiter des Verfassungsschutzes tätig, gegen den ermittelt wird und der sich aus Österreich abgesetzt hat.

Drucken

Schriftgröße

Es ist für manche eine echte Traumdestination – jedenfalls, wenn es ums Geschäftemachen geht: Dubai. Auch zahlreiche Österreicher hat es in den vergangenen Jahren in das Emirat am Persischen Golf verschlagen. Aber nicht immer läuft alles ganz rund. Und plötzlich kann es passieren, dass man allein auf weiter Flur in einem Haufen von Problemen steht.

Christian Thurner ist Mitte 60 und in Österreich kein Unbekannter. Das hat zunächst mit dem Basketball-Sport zu tun. Bis 2005 war Thurner General Manager der „Bulls“ aus Kapfenberg. 2023 dann die Rückkehr: Thurners Firmengruppe OCS wurde Titelsponsor des Teams. Doch obwohl das Engagement ursprünglich durchaus längerfristig geplant war, gingen die „OCS Bulls Kapfenberg“ und ihr neuer Geldgeber bereits nach einem Jahr wieder getrennte Wege. Bald habe sich herausgestellt, dass „der neue Sponsor aus diversen Gründen nicht in der Lage war, die vereinbarten vertraglichen Verpflichtungen auch zu erfüllen“, heißt es auf der Internetseite des Vereins.

Ein Job für den Ex-BVTler

Doch Thurner sorgte zuletzt auch abseits des Basketball-Felds für Aufsehen. Als nämlich bekannt wurde, dass seine OCS-Gruppe einen Mann beschäftigt hatte, den man – gesamt betrachtet – getrost als sehr schwer vermittelbar bezeichnen könnte: Martin Weiss, ehemaliger Abteilungsleiter im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), der im Verdacht steht, für Russland spioniert zu haben und sich nach einer kurzzeitigen Festnahme Anfang 2021 still und leise aus Österreich verabschiedet hat. Dies allem Anschein nach mit tatkräftiger Unterstützung eines gewissen Jan Marsalek, Ex-Manager von Wirecard und mutmaßlicher Kreml-Agent. Vor dem Zusammenbruch von Wirecard Mitte 2020 war Weiss für Marsalek tätig gewesen. Als es brenzlig wurde, half Weiss Marsalek dabei, sich via Österreich gen Weißrussland – und letztlich in Richtung Moskau – abzusetzen. profil berichtete ausführlich.

Weiss wiederum fand in Dubai nicht nur eine neue Heimat, sondern auch einen Job: nämlich in Thurners OCS-Gruppe. Gegenüber der Plattfrom „ZackZack“ erklärte Thurner vor einem halben Jahr: „Herr Weiss ist seit 28.2.2023 nicht mehr bei uns beschäftigt und wurde von uns gekündigt!“

Dem Vernehmen nach soll Weiss konkret für eine Firma namens „OCS International Commodities & Investments FZCO“ tätig gewesen sein – und zwar ausgerechnet im Bereich Risikomanagement und Compliance. Er wäre also derjenige gewesen, der die ordnungsgemäße Geschäftsabwicklung im Auge haben sollte. Ein bemerkenswerter Job für jemanden, der sich selbst mit strafrechtlichen Vorwürfen konfrontiert sieht. Betont sei: Weiss hat jegliches Fehlverhalten immer bestritten.

Geldbußen und Beschränkungen

Aktuell sorgt jedoch eine Schwestergesellschaft innehrhalb von Thurners OCS-Gruppe für Schlagzeilen in den Emiraten: Die „Dubai Financial Services Authority“ (DFSA) – also die Finanzmarktaufsicht von Dubai – verhängte kürzlich empfindliche Strafen gegen die „OCS International Finance LTD“ (in der Folge: OCS) und deren obersten operativen Manager und Eigentümer Christian Thurner. Die Firma muss rund 721.000 US-Dollar Strafe zahlen, Thurner selbst weitere rund 186.000 Dollar. Darüber hinaus wurde eine Einschränkung über ihn verhängt, was das Erbringen von Finanzdienstleistungen im „Dubai International Financial Centre“ – dem Finanzzentrum des Emirats – betrifft.

Die schriftlichen Entscheidungen der DFSA liegen profil vor. Diesen zufolge drehen sich die Vorwürfe hauptsächlich rund um zwei Überweisungen eines Kunden an OCS über insgesamt 42 Millionen Euro im April 2021. Unter anderem soll – kurz zusammengefasst – bei der Dokumentation des Transfers gegenüber der kontoführenden Bank getrickst worden sein. Ein Teil des Geldes soll weitergereicht worden sein, ohne dass dies vom Kunden in Auftrag gegeben worden wäre. Und dann fühlte sich die Aufsichtsbehörde beim Versuch, die Vorgänge zu prüfen, auch noch in die Irre geleitet. Als wäre das noch nicht genug, wirft die DFSA Thurner auch noch vor, ein früheres rechtliches Problem in einem anderen Land nicht offengelegt zu haben, als er im Oktober 2020 bei der Behörde darum ansuchte, den Status einer „autorisierten Person“ („Authorised Individual“) in Bezug auf OCS zu erhalten. 

Thurner: „Es ist sehr komplex“

Thurner und OCS haben sich bezüglich der Vorwürfe mit der DFSA letztlich auf einen Deal – eine Art Vergleichslösung („settlement“) – geeinigt. Das hat nicht nur die Geldbuße um 30 Prozent reduziert, sondern dürfte dem Unternehmer und der Firma auch jahrelange Rechtsstreitigkeiten ersparen. Die Behörde hat ihre Entscheidung von Mitte September 2024 vor wenigen Tagen öffentlich gemacht. Im Gespräch mit profil sagt Thurner: „Das, was veröffentlicht wurde, entspricht nicht den Tatsachen, die sich dahinter verbergen und die zu dem Ganzen geführt haben. Es ist sehr komplex.“

Betont sei, dass es sich um keine strafrechtliche Verurteilung handelt und die Behörde auch keinen strafrechtlichen Vorwurf äußert. In Bezug auf die Kundengelder spricht die DFSA von Missmanagement beziehungsweise vom nicht ausreichenden Schutz – und nicht etwa von Veruntreuung. Rund 9,6 der 42 Millionen Euro sollen via Darlehensverträge an eine Firma weitergereicht worden sein, die im Besitz von Mitgliedern des Senior-Managements von OCS stand, womit aber offenbar nicht Thurner gemeint ist. Wer gemeint ist, lässt die Aufsichtsbehörde offen. Ebenfalls ergibt sich aus den Entscheidungstexten nicht, dass interne Gremien und verantwortliche Mitarbeiter der OCS getäuscht oder umgangen worden wären. Nichtsdestoweniger richten sich die Vorwürfe der DFSA ausschließlich gegen Thurner. Und nicht etwa auch gegen die „Senior-Manager“, deren Firma das Geld erhielt.

Ungeschriebene Regeln?

Im öffentlichen Firmenregister der DFSA findet man in Bezug auf OCS eine Reihe weiterer „autorisierter Person“ neben dem Thurner. Darunter auch jemanden, bei dem es sich um den Spross einer durchaus einflussreichen Familie in Dubai handeln dürfte. Mittlerweile ist der Mann bei OCS ausgeschieden, in weiten Teilen des relevanten Zeitraums war er aber an Bord. In der Behördenentscheidung ist von ihm – und anderen OCS-Verantwortlichen außer Thurner – namentlich nichts zu lesen. Gut möglich, dass die vermeintliche Traumdestination Dubai manchmal auch nach ihren eigenen Regeln funktioniert.

Und Martin Weiss? Der lebt ebenfalls nach seinen eigenen Regeln und soll weiterhin unbehelligt in Dubai herumspazieren – anstatt sich mit der österreichischen Justiz auseinanderzusetzen.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).