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Anti-Korruption: Wollen sie nicht oder können sie nicht?

Am Beispiel Heinz-Christian Straches lässt sich eine dramatische Lücke des österreichischen Strafrechts besonders gut erklären.

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Gestern musste sich der frühere FPÖ-Obmann erneut vor Gericht verantworten – es geht um den Vorwurf der Bestechlichkeit. Den Prozess hat sich Strache selbst eingebrockt, indem er im Ibiza-Video über FPÖ-nahe Vereine schwadronierte, mit denen geheime Spendengelder eingesammelt worden sein sollen. Nach der Veröffentlichung des Videos im Mai 2017 stießen Journalisten und Ermittler auf Vereine im Umfeld der Freiheitlichen, die zur Beschreibung Straches passten. Einer davon heißt "Austria in Motion" und erhielt insgesamt 10.000 Euro an Spenden vom Immobilien-Unternehmer Siegfried Stieglitz.

Das rechtliche Problem für Strache und Stieglitz: Der Spender zog unter blauer Regierungsbeteiligung in den Aufsichtsrat der Asfinag ein. Die Staatsanwaltschaft wirft Stieglitz und Strache vor, der prestigeträchtige Aufsichtsratsposten wäre eine Gegenleistung für die Spende gewesen. Stieglitz hätte Strache auch zu teuren Essen und zu einer Reise nach Dubai eingeladen – eine Einladung, die der damalige Vizekanzler zunächst annahm, dann aber wieder absagte. Beide Beschuldigten plädierten am ersten Prozesstag auf "nicht schuldig".

Straches Anwalt selbst war es, der am Prozesstag die strafrechtliche Lücke andeutete. Er wies zwar alle Vorwürfe gegen seinen Mandanten zurück, betonte aber auch, dass diese selbst dann "nicht strafbar" wären, wenn sie stimmen würden.

Der Mann hat recht: Tatsächlich ist es in Österreich noch immer legal, Politiker zu bestechen. Und zwar dann, wenn der Bestochene noch kein Bürgermeister oder Vizekanzler ist, sondern bloß Kandidat zum Gemeinderat oder zur Nationalratswahl. Denn der Tatbestand der Bestechung ist erst erfüllt, wenn der Begünstigte ein Amt innehat. Zum Zeitpunkt der Spenden über 10.000 Euro war Strache bloß FPÖ-Klubobmann, als Vizekanzler wurde er erst Ende 2017 angelobt. Die Staatsanwaltschaft muss im aktuellen Prozess darauf hoffen, dass das Gericht die Abendessen und die Reiseeinladung als Bestechungsversuche wertet, denn zu dieser Zeit war Strache bereits Vizekanzler.

Kandidatenbestechung nennen Strafrechtsexperten die Sonderform der Anfütterung, die derzeit legal ist. Übrigens nicht die einzige Lücke: Auch Mandatskauf ist erlaubt, also eine Partei dafür zu bezahlen, dass eine Person ein Nationalratsmandat bekommt.

Laut Justizministerin Alma Zadic hätten beide Lücken bereits im Sommer 2020 geschlossen werden sollen. Zuletzt kündigte sie eine Regierungsvorlage zu einem strengeren Korruptionsstrafrecht für März 2022 an – auch daraus wurde nichts. Dabei liegt der eineinhalbseitige Gesetzesentwurf bereits seit November des Vorjahres bei der ÖVP.

Und was sagt die ÖVP dazu? Generalsekretärin Laura Sachslehner betonte in der Vorwoche, ihre Partei würde keineswegs auf der Bremse stehen.

Ein Klassiker: Beide Regierungsparteien sind dafür, das Gesetz wird trotzdem nicht beschlossen – ein Schicksal, dass sich die Novelle des Korruptionsstrafrechts mit dem Informationsfreiheitsgesetz und der Ankündigung nach Gewinnabschöpfungen von Energiekonzernen teilt.

In allen Fällen stellt sich die Frage: Wollen sie nicht – oder können sie nicht?

Jakob Winter

 

Jakob Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.