Auf Mission in Indien: Minister Kocher sucht nach Fachkräften
Bollywood-Produktionen made in Austria? Geht es nach Minister Martin Kocher (ÖVP) soll die indische Filmindustrie künftig in den Alpen drehen – dafür wirbt er derzeit mit der österreichischen Filmförderung in Mumbai. Kocher wird auf seiner Wirtschaftsmission durch Indien von einer Delegation aus Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung und Unternehmern begleitet. Ihr erklärtes Ziel: Kooperationsmöglichkeiten ausloten und das kleine Österreich auf dem Subkontinent bewerben. Mit drei Billionen Dollar Nominal-BIP gehört Indien zu den schnellst wachsenden Volkswirtschaften der Welt. Die Wohlstandsgewinne der Bevölkerung machen Indien als Export-Destination für österreichische Firmen interessant.
Neben den bilateralen Beziehungen buhlt die Delegation auch um die indischen Arbeitskräfte, denn trotz Rezession kämpfen österreichische Betriebe noch immer mit einem Fachkräftemangel. Mit 1,4 Milliarden Menschen hat das südasiatische Land sogar die Volksrepublik China als bevölkerungsreichstes Land der Welt überholt. Die Bevölkerung ist jung, das Durchschnittsalter beträgt 28 Jahre. Gleichzeitig werden viele Menschen mit Qualifikationen ausgebildet, die gerade in Österreich hoch im Kurs liegen: Neben IT sind das die Energiewirtschaft oder der Bau. Die Wirtschaft schwärmt von den indischen Fachkräften, da sie sich in vielen Betrieben bewährt haben. Beim Staat hat sich hingegen bewährt, die indischen Staatsbürger massenhaft abzuschieben.
„Willkommenskultur“ oder „Härte in der Migration“
2022 kamen 18.000 indische Staatsbürger über die serbische Visa-Freizügigkeit nach Österreich. Die meisten von ihnen beantragten Asyl, obwohl kein Fluchtgrund bestand. Die Chancen auf einen Aufenthaltsstatus waren daher faktisch inexistent und die Betroffenen wurden zurück nach Indien deportiert. Ob die abgeschobenen Inder die qualifizierten „richtigen” Migranten waren oder die unqualifizierten „falschen”, lässt sich übrigens im Nachhinein nicht eruieren - niemand überprüfte zum damaligen Zeitpunkt ihre Kompetenzen.
Die Rufe aus der Wirtschaft, die arbeitswilligen Migranten beschäftigen zu dürfen, blieben von der Politik ungehört. Denn wer in Österreich arbeiten will, kann nur über die Rot-Weiß-Rot Karte einwandern. Wer einmal im Asylverfahren steckt, kommt nur schwer wieder heraus. Ein durchlässiger Wechsel zwischen Asyl und Arbeitsmigration – wie in Deutschland – verhallte ungehört.
Es wirkt fast wie ein Schildbürgerstreich, dass eine hochrangige österreichische Delegation nun bei den Abgeschobenen und ihren Landsleuten um die Vorzüge des österreichischen Arbeitsmarktes wirbt. Das deutlich höhere Lohnniveau könnte zwar viele Inder ansprechen, doch konkurriert Österreich inzwischen mit anderen Industrieländern wie Großbritannien oder Kanada, die auf eine traditionsreiche Einwanderungspolitik blicken und auf ihre indische Community verweisen können. Kann Österreich Härte in der Migrationspolitik zeigen und gleichzeitig um Arbeitskräfte in Schwellenländer werben?
Geht es nach der Migrationsforscherin Judith Kohlenberger wird Österreich den Spagat nicht schaffen: „In der Kommunikation kann man noch so deutlich versuchen zu trennen. Aber bei Migrationswilligen im Ausland kommt das nicht an. Länder, die eine aggressive Antimigrations-Rhetorik fahren, richten sie auch auf hochqualifizierte Expats.”
Die restriktive Einwanderungspolitik könnte sich also auch bei Hochqualifizierten herumsprechen – jenen Fachkräften, die mehrere Optionen haben, wohin sie auswandern können. Österreich hat es damit in der Hand, ob das Drehbuch des zukünftigen Bollywood-Streifen über den Erfolg oder das Scheitern indischer Einwanderer handeln soll.