Morgenpost

Ermittlungen gegen Rechtsextremist Martin Sellner

Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt gegen das ehemalige Gesicht der rechtsextremen „Identitären Bewegung“, Martin Sellner.

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In der EU sind die Grenzen eigentlich offen, bei manchen Personen schauen die Beamtinnen und Beamten aber dennoch genauer hin: Etwa bei bekannten Rechtsextremisten wie Martin Sellner. 

Am 29. Jänner 2024 um 17.49 Uhr wurde Sellner am Grenzübergang Passau angehalten und rund eine Dreiviertelstunde lang in einem Kleintransporter der Polizei befragt. Zwei Tage zuvor war bekannt geworden, dass der deutsche Verfassungsschutz und die Bundespolizei ein Einreiseverbot gegen den Rechtsextremen geprüft hatten. Um 18.36 Uhr triumphierte Sellner: „Ich darf einreisen!“ 

Und doch drohen ihm nun strafrechtliche Konsequenzen.

100 Meter hinter der Grenze blieb Sellner wieder mit seinem Auto stehen und startete einen Livestream. Zeitweise schauten fast 15.000 Leute auf Kanälen wie Telegram zu. Das Problem: Sellner hatte auch das Telefonat mit einem Polizisten aufgenommen und in weiterer Folge veröffentlicht, obwohl dieser das nicht wollte.

Die Staatsanwaltschaft Passau hatte daraufhin ein Ermittlungsverfahren gegen Sellner eröffnet und mittlerweile an die Staatsanwaltschaft Wien abgetreten, wie Letztere auf Anfrage von profil, NDR und WDR bestätigt: Gegen Sellner wird in Wien nach Paragraf 120 des Strafgesetzbuches, Missbrauch von Tonaufnahmen oder Abhörgeräten, ermittelt. Als Strafe drohen eine bis zu ein Jahr Haft oder eine Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen.

Sellners Anwalt streitet den grundsätzlichen Vorwurf nicht ab, rechnet aber dennoch mit einer Einstellung des Verfahrens. Sein Mandant habe das Telefonat so verfremdet, "dass aus Sicht meines Mandanten keine Verbindung zum Gesprächspartner herstellbar war." Zudem sei die Veröffentlichung aus Sicht des Anwalts durch das Recht auf Freie Meinungsäußerung geschützt, da Sellner mit seinem "Dokumentarfilm" einen "Beitrag zu einer Debatte von allgemeinen Interesse" geleistet habe.

Stopp in der Schweiz

Es ist bei Weitem nicht das erste Mal, dass der Rechtsextremist in juristische Turbulenzen gerät. Sellner hat sein Leben auf Provokation aufgebaut, immer wieder testen er und andere Rechtsextremisten bewusst die Grenzen des Rechtsstaates aus. Immer wieder werden Veranstaltungen von Sellner polizeilich aufgelöst, etwa im August in Neulingen in Baden-Württemberg. Dies habe der Verhinderung von Straftaten gedient, erklärte die Polizei Pforzheim damals. 

Zuletzt hatte Sellner versucht, in die Schweiz einzureisen - obwohl die Schweizer Polizei am 11. Oktober eine befristete Einreisesperre gegen den gebürtigen Österreicher verhängt hatte. Das Resultat: Die Polizei des Kanton Thurgau begleitete den Rechtsextremisten zurück über die Grenze.

In Deutschland wurde das Einreiseverbot gegen Sellner Ende Mai vorläufig aufgehoben. Der Rechtsextremist darf also vorerst weiter in die Bundesrepublik einreisen - und sollte dabei wohl weniger aufnehmen.

Eine Recherche mit NDR und WDR.

Max Miller

Max Miller

ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Schaut aufs große Ganze, kritzelt gerne und chattet für den Newsletter Ballhausplatz. War zuvor bei der „Kleinen Zeitung“.