Ausnahmezustände auf hoher See und am flachen Land
Wir haben in den vergangenen Tagen viele Nachrichten erhalten, die sich auf unser aktuelles Titelbild bezogen. Es zeigt eine Familie auf der Flucht, die in der Ägäis, nahe der türkischen Stadt Didim, auf dem Weg nach Griechenland in Seenot geriet und von der türkischen Küstenwache aus dem Wasser gerettet wurde.
Einige Leserinnen und Leser hatten Zweifel, dass es sich um ein authentisches Bild handle. Tatsächlich wirkt das Foto – durch die Lichtverhältnisse und den Bildausschnitt begünstigt – wie inszeniert, allerdings handelt es sich zweifellos um einen originales Dokument. Das Bild wurde am 22. Jänner 2016 von dem türkischen Fotographen Emin Menguarslan aufgenommen und von der Anadolu Agency beziehungsweise der Bildagentur Getty Images verbreitet. Auch die damalige Havarie des Flüchtlingsbootes ist gut dokumentiert. Insgesamt 43 Personen konnten gerettet werden, mindestens 45 kamen auf dem Weg nach Europa ums Leben.
Was sich seit damals – dem Höhepunkt der vom Krieg in Syrien ausgelösten Flüchtlingskrise – an den Grenzen Europas verändert hat, haben Siobhán Geets, Gregor Mayer, Edith Meinhart und Franziska Tschinderle für unsere aktuelle Titelgeschichte recherchiert, die wir an dieser Stelle auch online freigeschaltet haben. Ein Fazit ihrer Recherchen: „Dass der Ausnahmezustand längst Normalität wurde, ist einer Politik der Abschreckung geschuldet, die alles auf die „Kommt bloß nicht!“-Karte setzt.“
Gefahr im Straßenverkehr
Ebenfalls authentisch war ein Video, das am Mittwochnachmittag gegen 16 Uhr am Heinrich-Heine-Ring in der deutschen Kleinstadt Stralsund (Mecklenburg-Vorpommern) entstand. Es zeigt den Ausnahmezustand auf europäischen Straßen, konkret: wie ein LKW-Fahrer ausrastet, weil sich vor seinem Auto zwei Mitglieder der Gruppe „Letzte Generation“ auf die Straße gesetzt haben, um für bessere Klimaschutzmaßnahmen zu demonstrieren.
Der Mann steigt schimpfend aus seiner Fahrerkabine, zerrt die jungen Leute gewaltsam von der Straße, droht Prügel an und fährt dann – obwohl sich die AktivistInnen wieder vor seinen Wagen gesetzt habe – einfach los. Ein Aktivist wird dabei ein kurzes Stück mitgeschoben, droht unter den Lastwagen zu geraten. Die Bilder von dem Vorfall – unter anderem waren ein NDR-Team und ein Reporter der "Ostsee Zeitung" vor Ort – gingen durch die sozialen Medien und lösten Bestürzung aus.
Laut Polizei wurde niemand verletzt, der 41-jährige LKW-Fahrer habe sich inzwischen bei den Behörden gemeldet und seinen Führerschein vorläufig abgeben müssen. Laut NDR laufen Ermittlungen wegen des Verdachts der versuchten gefährlichen Körperverletzung und des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr. Gegen sechs an der Aktion beteiligte Klima-AktivistInnen wurden gleichzeitig Ermittlungen wegen des Verdachts der Nötigung und des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz eingeleitet.
Dazu noch ein aktueller Hinweis von US-Präsident Joe Biden, der am Rande des Nato-Gipfels in der litauischen Hauptstadt Vilnius erklärte: „Wir stehen an einem Wendepunkt in der Geschichte, an dem die Entscheidungen, die wir jetzt treffen, die Richtung unserer Welt für die nächsten Jahrzehnte bestimmen werden.“
Wir wünschen Ihnen gute Entscheidungen,
und einen friedlichen Freitag,
Sebastian Hofer