Barbie trägt auch bauchfrei
Morgenpost

Bauchfrei ist politisch

Harry Styles tut es, Barbie tut es, und die Buhlschaft tut es auch: Sie tragen bauchfrei. Warum die sommerliche Nabelschau ein Politikum ist.

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Wie jedes Jahr war die Enthüllung des modischen Auftritts der Frau im roten Gewand ein Spektakel. Was die Buhlschaft trägt, wie die Buhlschaft aussieht, das ist eben wichtig in Salzburg - und in Restösterreich. Die letzten zwei Jahre sorgte Verena Altenbergers Kurzhaarschnitt für Diskussionen in der konservativen Festspielstadt. Sie sei nicht weiblich genug für die Rolle, empörte man sich. Das diesjährige Erscheinungsbild der Buhlschaft wird vergleichsweise wenig besprochen - dabei kann man Valerie Pachners bauchfreies Top im Bundesland Salzburg aktuell durchaus politisch interpretieren.

Erst Ende Juni wurde öffentlich, dass eine Direktorin einer Salzburger Mittelschule in einem Elternbrief Mädchen dazu aufforderte, zukünftig nicht mehr mit bauchfreien Shirts, Trägershirts sowie extrem kurzen Shorts” am Unterricht teilzunehmen. Zu freizügige Kleidungsstücke würden das Risiko einer „übermäßigen Sexualisierung“ bergen. Zu Recht war die Kritik an dem Brief laut. Denn Mädchen sind nicht selbst dafür verantwortlich, wenn andere ihren Körper sexualisieren. Die nächste Schlussfolgerung wäre laut dieser Argumentation, dass knapp bekleidete Frauen selbst Schuld sind, wenn sie Opfer von Gewalt werden. Das ist klare Täter-Opfer-Umkehr - hallo, vergangenes Jahrhundert!

Was der Fall aus Salzburg zeigt: Kleidung ist mehr als nur die Bedeckung des eigenen Körpers. Bauchfrei ist auch politisch. Lange Zeit war es unter Feministinnen verpönt, „typisch mädchenhaft” zu sein. Pink, Glitzer und knappe Kleidung reduzieren Frauen auf ihr Aussehen, so die Devise. Die Zeiten haben sich geändert: Moderne Feministinnen tragen nicht, was man von ihnen erwartet, sondern was sie wollen. Geschlechterstereotype verschwimmen zusehends miteinander: Zum Beispiel inszeniert sich Popstar Harry Styles gerne mit bauchfreiem Top. 

Bauchfrei tragen heute nicht mehr nur jene, die die Gesellschaft für „normschön“ befindet - heißt: schlank, straff und makellos. Mit der Body Positivity-Bewegung verbreitete sich die Einstellung, den eigenen Körper schön zu finden, auch wenn das Aussehen nicht den bisherigen Schönheitsidealen entspricht. Aushängeschild der Bewegung ist die US-amerikanische Sängerin Lizzo. Ja, ich weiß ich bin ‘fett’, ich habe einen Bauch. (...) Tragt, was euch glücklich macht”, schrieb sie unlängst in einem Instagram-Beitrag. Lizzo zelebriert ihren Körper in den sozialen Medien, posiert selbstbewusst in freizügigen Outfits, auch bei ihr ist bauchfrei keine Seltenheit. 

Was als „typisch weiblich“ gilt, wird nicht mehr als „tussig” abgewertet. Ein Exempel dafür statuiert auch der neue Barbie-Film: Barbie und Pink wird Kult. Die Farbe war im Vorfeld der Erscheinung global ausverkauft. Malereibedarfshersteller und Textilunternehmen kamen mit dem Produzieren nicht mehr nach. Kein Scherz, sondern Realität, wie Stefan Grissemann in seiner profil-Rezension zum pinken Blockbuster herausfand. Grissemann befindet außerdem: Barbie bietet neben dem absehbaren Farb-, Musik- und Comedy-Spektakel stark existenzialistisch-feministische Obertöne."

Ich persönlich führe mir den neuen Barbie-Film erst am Wochenende zu Gemüte. Und bin gespannt, ob Regisseurin Greta Gerwig der unmöglich scheinende Kraftakt gelungen ist, weibliche Stereotype mittels weiblicher Stereotype aufzubrechen.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Freitag, tragen Sie, was Ihnen gefällt!

Anna Wintersteller

Anna Wintersteller

Anna Wintersteller

war bis September 2023 bei profil.