Domino-Effekte: Immer mehr Signa-Gesellschaften schlittern in die Insolvenz.
Morgenpost

Benkos Geldgeber – Denn sie wussten, was sie tun

Das Justizministerium will härtere Strafen für Firmen, die ihre Bilanzen zu spät veröffentlichen. Bei Signa hätte das den Totalzusammenbruch kaum verhindert. Jenen, die Signa ihre Millionen überließen, waren die wesentlichen Kennzahlen bekannt.

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In Sachen Transparenz war die Signa wirklich keine Musterschülerin. Das weit verzweigte Firmengeflecht besteht aus über 1000 Gesellschaften. Im Wochentakt werden neue Insolvenzen gemeldet. Einen Überblick über die Finanzgebarung der gesamten Gruppe haben derzeit nicht einmal die Sanierungsverwalter. Es ist mit bisher elf Milliarden Euro nicht nur die größte Firmenpleite Österreichs, sondern auch die unübersichtlichste. Firmenabschlüsse wurden jahrelang nicht im Firmenbuch veröffentlicht und Strafen ganz bewusst hingenommen. Das soll sich nun ändern. Justizministerin Alama Zadic hat Verschärfungen und höhere Strafen für jene Firmen angekündigt, die es mit der Veröffentlichungspflicht nicht ganz so ernst nehmen. Laut Ö1-Morgenjournal waren es im Vorjahr übrigens 7000 Firmen.

Im Sinne der Transparenz ist das sicher ein guter und wichtiger Schritt. Aber hätte das eine Signa-Pleite verhindert? Oder zumindest den Schaden minimiert? Wohl kaum. Denn all jene, die Anleihen gekauft oder gezeichnet haben, Investoren, die René Benkos Signa-Imperium zig Millionen zur Verfügung stellten oder sich an Signa-Projekten beteiligten, kannten die relevanten Kennzahlen, bevor sie im Firmenbuch landeten.

Am 9. November 2023 stand das Management der nunmehr insolventen Signa Development Selection in einem Call Anleihegläubigern Rede und Antwort zur Situation der Gesellschaft. Dort wurden den Geldgebern auch noch nicht veröffentlichte Zahlen zum Halbjahr 2023 vorgestellt. Die vertrauliche Präsentation liegt profil vor. Dort wurde etwa bekannt, dass sich der Nettoverlust der Gruppe bereits in den ersten sechs Monaten auf 148,5 Millionen Euro summiert hatte. Und dass die sofort verfügbaren Barmittel auf 32 Millionen Euro geschmolzen waren, trotz des Verkaufs von kika/Leiner samt Immobilien. 

Zu diesem Zeitpunkt war der Jahresabschluss der Signa Development für 2022 gerade einmal seit zwei Tagen im Firmenbuch abrufbar. Die Abschlüsse für die Pandemiejahre 2021 und 2020 wurden erst am 4. November 2023 veröffentlicht. Die Offenheit gegenüber Investoren, Anleihegläubigern und Geldgebern hat einen einfachen Grund: Auch ein äußerst diskreter Konzern wie Signa kann sich den Vorwurf, seine Gläubiger bewusst getäuscht zu haben, nicht leisten. 

Kein Interesse

Bei Signa werden keine Kleinanleger um ihr mühsam erspartes Geld geprellt. Zu den Gläubigern zählen Milliarden schwere Investoren, Banken, Versicherungen, Hedgefonds und sogar arabische Staatsfonds. Mitsamt dahinterstehenden Risikoanalysen und Risiko-Abteilungen, die auch noch unveröffentlichte Firmenkennzahlen auf Punkt und Komma prüften. Auch die Risiken, die ein Ende der Nullzinspolitik der EZB für ein Geschäftsmodell mit sich bringt, das auf billigem Geld fußt, waren Management, Aufsichtsrat und Geldgebern bekannt. Zu behaupten, dass niemand etwas gewusst habe, ist schlicht nicht die ganze Wahrheit. Es hat nur lange Zeit niemanden so richtig interessiert. Weil die Gewinne sprudelten. 

Hinzu kommt: Signa besteht aus fast unzähligen kleinen Gesellschaften in zahlreichen Ländern. Jeder Gruppen-Teil bilanziert für sich und bei weitem nicht alle in Österreich. Eine öffentlich einsehbare Bilanz zum Stichtag bietet ein wenig mehr Licht im Bilanzen-Dickicht, aber noch keinen Überblick über die Geschäftsgebaren der gesamten Gruppe. 

Dafür bräuchte es schon eine konsolidierte Konzernbilanz. Für Nicht-Betriebswirte: In diesem Fall würde Signa schön übersichtlich in einer einzigen Bilanz zusammenfassen, welche Sparten und Einheiten im Unternehmen einen Gewinn erwirtschaftet haben, welche einen Verlust und wieso. Wie hoch die Bankenschulden insgesamt sind. Welches Bauprojekt wieviel kostet und wer daran beteiligt ist. 

Von dieser Art der Rechnungslegung hätten Gläubiger, Finanzämter, Geldgeber und die Öffentlichkeit bestimmt mehr gehabt. Aber wie gesagt: Bis zum Crash hat das zumindest die Investoren nicht interessiert.

Sie bekommen von Signa nicht genug? In unserem Dossier finden Sie alle relevanten Entwicklungen und Enthüllungen rund um die größte Firmenpleite in Österreichs Wirtschaftsgeschichte. 

Marina Delcheva

Marina Delcheva

leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".