Morgenpost

Bildungsproteste: Freizeitpädagogen im Streik

Warum Pädagogen auf die Straße gehen - und die Vermittlung von Freizeit ein wichtiger Beruf ist.

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Wenn Sie den heutigen Tag hinter sich haben, haben Sie hoffentlich Freizeit und Wochenende! Das klingt nach Freibad, Ausflug und Entspannung. Für viele Pädagog:innen ist das jedoch ein Beruf - und hat mit Strandbad wenig zu tun, sondern mit Freizeitgestaltung im Schulbetrieb einer Ganztagsschule. 

In meiner Schulzeit gab es eine Lehrerin, eine Werklehrerin und eine Religionslehrerin. Die Schule hörte früh auf, Ganztagsschulen waren etwas exotisches. Doch das hat sich zum Glück ein wenig geändert. Ein Schultag ist da oft die Abwechslung von Lerneinheiten und Freizeiteinheiten und dauert den ganzen Tag. Das ist in vielen Ländern üblich, in Österreich leider noch nicht die Regel. 

Im Moment wird also bei den Freizeitpädagogen geschraubt, die den Ganztagsschulbetrieb inklusive Freizeitstunden maßgeblich mitermöglichen; die Anforderungen sollen gehoben (Matura), die Ausbildung verringert werden - und die Pädagog:innen sollen auch lernunterstützend und im Unterricht tätig sein. Das Ziel: Das Berufsbild soll zu sich in Richtung Assistenzpädagog:innen wandeln (zuletzt war der Begriff "Assistenz- und Freizeitpädagogen" im Gespräch). Die Aufregung ist groß, das Ministerium beschwichtigt, dass es sich nur um einen Gesetzesentwurf handelt. Dennoch: Grund genug für die Freizeitpädagog:innen, gestern auf die Straße zu gehen, Betriebsversammlungen abzuhalten und zu streiken. Mein Kollege Moritz Ablinger war gestern bei einer Versammlung in Wien-Ottakring - seinen Bericht lesen Sie morgen im neuen profil (als E-Paper, Sonntag dann gedruckt für alle Abonnent:innen - zu unseren Abos geht es hier). 

Demonstriert wurde bei dem "Aktionstag Bildung" aber auch für andere Anliegen: Für mehr Unterstützungspersonal an Schulen, einen Rechtsanspruch auf den Besuch eines elften und zwölften Schuljahres für Kinder mit Behinderung oder für eine Strategie zur Bekämpfung des Personalmangels an Kindergärten. 

Unser Schulsystem ist - wie das Gesundheitssystem - seit Jahrzehnten  im Korsett des Föderalismus gefangen. Ein Beispiel: Lehrer:innen sind Bundes- oder Länderbedienstete, Freizeitpädagog:innen bei der Gemeinde oder Vereinen angestellt. Die Salzburger “Herdprämie” ist nur ein - wenn auch besonders - drastisches Beispiel, was diese Zerspragelung der Bildungskompetenzen für Auswüchse hat. Anstatt Kindergartenplätze auszubauen, wird ein Bonus fürs Daheimbleiben ausgezahlt (Meine Kollegin Anna Wintersteller hat sich die Frauenpolitik der FPÖ in Salzburg angeschaut, Elfriede Hammerl hat sie in ihrer Kolumne kommentiert).

Personalmangel im Bildungsbereich ist seit über einem Jahrzehnt ein massives Thema - und wird sich in den nächsten Jahren noch intensivieren. Für manche ist da der Quereinstieg die Lösung. Mein Kollege Clemens Neuhold arbeitet an einer Geschichte über Menschen, die in den Staatsdienst gewechselt sind: “Suche Umsteiger:innen, die über ihre Beweggründe reden, in den öffentlichen Dienst zu wechseln. Vom Pflegeheim über Schule, Hort, Kindergarten, Magistrat, Sektion, Gemeinde bis Bestattung.” Schreiben Sie ihm unter [email protected]!

Einen guten Freitag und ein gutes Wochenende wünscht

Sebastian Pumberger

Sebastian Pumberger

Sebastian Pumberger

war von Jänner 2022 bis Juni 2023 bei profil. Davor war er bei der Tageszeitung "Der Standard".