Bleibt Österreich bei Sky Shield oder nicht?
Der Raketenschutzschirm Sky Shield war von Anfang an einer der großen Streitpunkte zwischen ÖVP und FPÖ – und der offizielle Auslöser, warum die Volkspartei eine Koalition mit den Freiheitlichen ausgeschlossen hatte. Denn als sich die Pläne für dieses Projekt konkretisierten, schoss die FPÖ dagegen scharf. Sky Shield sei mit Österreichs Neutralität schlicht nicht vereinbar, sagte die Partei. Im Juli 2023, damals noch in seiner Funktion als Generalsekretär, zog Christian Stocker daher eine rote Linie: „Schon als Innenminister war Herbert Kickl ein Risiko für die innere Sicherheit Österreichs, jetzt ist er als FPÖ-Obmann ein Sicherheitsrisiko“, sagte er. Die Volkspartei werde mit ihm keine Regierung eingehen.
Nun wird spekuliert, wie sich die beiden Parteien in diesem Punkt einigen sollen. Denn bei Sky Shield gibt es keinen Kompromiss: Entweder Österreich ist Teil davon – oder eben nicht.
Initiative von Deutschland
Worum geht es überhaupt? Deutschland startete im Oktober 2022 die Initiative, um mit 14 europäischen Staaten (die meisten davon auch NATO-Mitglieder) bei der Beschaffung von Raketenabwehr zu kooperieren und Daten über den Luftraum auszutauschen. Mittlerweile sind 21 Staaten dabei (Österreich mitgezählt). Es ist kein offizielles Projekt der Europäischen Union, aber auch nicht der NATO. Ziel ist es jedenfalls, durch den gemeinsamen Einkaufsprozess bessere Konditionen mit den Rüstungsunternehmen ausverhandeln zu können und dann bei der Luftraumüberwachung den Informationsaustausch zu intensivieren und erleichtern, weil alle Partner dieselben Systeme verwenden.
Die FPÖ sieht hinter dem Projekt ein „NATO-Beitritt durch die Hintertür“. Um zu widersprechen, nennt die Volkspartei regelmäßig auch das Beispiel Schweiz, denn auch das neutrale Nachbarland ist bei Sky Shield dabei. Im Juli 2023 unterzeichnete Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, ÖVP, gemeinsam mit der Schweiz eine Absichtserklärung für die Teilnahme. Im Mai 2024 folgte die nächste Absichtserklärung mit Deutschland. Keines dieser Papiere ist rechtlich verpflichtend, ein Ausstieg ist jederzeit möglich. Die Unterschrift gilt eher als Türöffner für erste Gespräche auf militärischer Ebene.
„Patriot“-Raketenabwehrsystem
Das „Patriot air defense system“ kann Raketen aus dem Luftraum abfangen.
Grundsätzlich sind die Planungen für die Beschaffung einer Raketenabwehr mit kurzer und mittlerer Reichweite bereits abgeschlossen, die Rüstungsdirektion im Verteidigungsministerium hat schon eine Leistungsbeschreibung erstellt. Sie soll als Grundlage für die Entscheidung dienen, bei welcher Firma welches Gerät genau beschaffen wird. Bis Ende des Jahres soll bei der mittleren Reichweite eine Entscheidung im Ministerium fallen – so zumindest die Planungen im Verteidigungsressort. Diese Einkäufe sind auch in den Berichten des Bundesheeres vorgesehen, die das Ressort dem Parlament vorlegen muss.
Aus Verhandlerkreisen hört man nun die Option, dass Österreich die Raketenabwehr für kurze und mittlere Reichweite beschaffen soll. Die relativ kurzfristigen Pläne, auch eine kostspielige Raketenabwehr für große Reichweiten zu besorgen, könnten verworfen werden. Theoretisch könnte Österreich auch versuchen, den Datenaustausch zu verweigern –das wäre allerdings ein Rückschritt zu der jetzigen Situation, denn schon jetzt kooperiert man mit Nachbarstaaten.
An der Frage, ob man bei Sky Shield dabei ist oder nicht, ändert das allerdings wenig. Entweder man kauft die Raketenabwehr kurzer und mittlerer Reichweite im Rahmen dieser Initiative, oder eben nicht.