Morgenpost

Lessons not learned

„Unkontrolliertes Ausgeben ist kein ‚Lessons learned‘ aus der Covid-19-Krise“, resümiert Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker das Covid-19-Mangement der Politik. Wie passend. Nicht nur beim Pandemie-Management.

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Am Dienstag hat der Rechnungshof seine Handlungsempfehlungen für die staatliche Krisenbewältigung auf Basis der bisher veröffentlichten Corona-Rechnungshofberichte vorgelegt. Fazit: treffsichere Maßnahmen statt Gießkanne, eine Verbesserung der Datenlage und mehr Rücksicht auf den stark strapazierten öffentlichen Haushalt.

In Summe hat der Bund 47,7 Milliarden Euro an Coronahilfen ausbezahlt oder genehmigt. Das sind übrigens mehr als 5000 Euro pro Person, großteils über Schulden finanziert. Mehr als 14 Milliarden Euro wurden über die eigens dafür eingerichtete und ausgegliederte Finanzierungsagentur Cofag ausbezahlt. Bereits im Vorjahr wurde sie vom Rechnungshof zerpflückt. Er ortete Überförderung, Intransparenz und empfahl die sofortige Auflösung. Die Hilfen sind zwar schnell geflossen. In zahlreichen Fällen waren sie aber zu hoch oder erst gar nicht gerechtfertigt und müssen jetzt von den Unternehmen zurückgezahlt werden.

Die Handlungsempfehlungen des Rechnungshofs speisen sich aus insgesamt 18 Prüfberichten rund um das Pandemiemanagement der Bundesregierung und können zum Teil wohl auch für das Inflations-Management von Bund und Ländern angewandt werden. Die endgültige Rechnung zur Inflationsbekämpfung wird noch länger nicht gelegt werden können, die Zwischenbilanz fällt aber wenig erfreulich aus. 9,3 Prozent betrug die Teuerung im März laut Schnellschätzung der Statistik Austria. Im gesamten Euro-Raum lag sie bei 7,1 Prozent, in der benachbarten Schweiz bei nur mehr 2,9 Prozent. Dabei gebe es Wege aus der Inflationskrise, wie Kollege Stefan Melichar aufzeigt. Aber auch in den hier beschriebenen drei Szenarien gilt das, was auch für die Cofag galt und was Ökonomen wie Wifo-Chef Gabriel Felbermayr seit Monaten predigen: weniger Gießkanne, mehr Treffsicherheit.

Das mit der Treffsicherheit ist aber eine Krux. Eine ökonomisch sinnvolle und sozial verträgliche Verteilung der Teuerungslast würde bedeuten: Jene Menschen, die besonders wenig zum Leben haben und die besonders hart von steigenden Mieten, Energiekosten und Lebensmitteln betroffen sind, zu unterstützen. Der besser situierte Rest geht leer aus, zügelt, inflationsbedingt, seinen Konsum, womit auch die Preise für alle wieder etwas sinken.

Für die Regierenden im Bund und in den Ländern würde das aber bedeuten, zahlreiche eigene Wählerinnen und Wähler aus der Mittelschicht bei den Förderungen zu übergehen und deren Wohlstandsverlust in Kauf zu nehmen. Weil Wähler aber das ärmer werden niemandem verzeihen, gießt man eben lieber weitere Hilfen auf die Mühlen der Inflation.

Die Gießkanne war wohl auch ein beliebtes Werkzeug im Finanzministerium bei der Vergabe von öffentlichen Inseraten, was nun die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) beschäftigen. Inserate gegen wohlwollende Berichterstattung, mutmaßlich. Als Beschuldigte werden neben Ex-Kanzler Kurz und seinem engsten Umfeld, die Bundespartei selbst, mittlerweile auch das Ehepaar Eva und Christoph Dichand stellvertretend für „Heute“ und „Krone“ geführt. Über tausend Seiten umfasst der Akt, wie profil berichtet.  Die Ermittlungen zu Wolfgang Fellner und der „Österreich“-Gruppe laufen schon länger. Vergangene Woche soll es nicht nur bei „Heute“ und „Krone“ Hausdurchsuchungen gegeben haben, sondern auch bei zwei Medien-Agenturen, die vom Finanzministerium mit den Anzeigenschaltungen beauftragt wurden, schreibt profil-Chefredakteurin Anna Thalhammer.

Irgendwann hat sich das politische Österreich in eine „Koste es, was es wolle“-Position eingegraben und scheint da nur schwer wieder herauszukommen, während die Kosten steigen und steigen. Wir bezahlen das nicht nur mit Milliarden an öffentlichen Euros, sondern auch mit politischer und ja, wir Medien auch, mit demokratiepolitischer Glaubwürdigkeit.

An dieser Stelle möchte ich mich, liebe Leser:innen, bei Ihnen vorstellen. Ich heiße Marina Delcheva und verantworte ab jetzt zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen Christina Hiptmayr, Stefan Melichar und Clara Peterlik die Wirtschaftsberichtserstattung im profil. Ich wurde journalistisch zuerst im biber-Magazin und danach fast neun Jahre lang in der republikseigenen „Wiener Zeitung“ sozialisiert, die im Sommer in ihrer jetzigen Form von der schwarz-grünen Regierung eingestellt wird. Vielleicht, weil sie nicht immer so wohlwollend war, aber wer weiß das schon so genau. Unser Wohlwollen gilt allein jenen Geschichten, die erzählt werden müssen, weil sie wichtig sind. Wohlwollen darüber hinaus zahlt sich langfristig nicht aus – weder finanziell noch demokratiepolitisch.

Ich wünsche Ihnen noch einen schönen, wohligen Tag!

Marina Delcheva

Marina Delcheva

Marina Delcheva

leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".