Papst Franziskus segnet die Welt wieder (hoffentlich): Habemus papam (iterum)!
Man möge mir den etwas pietätslosen Einstieg nachsehen, aber als Hermann Maier vor 22 Jahren nach seinem schweren Motorradunfall wieder einen Weltcupsieg erringen konnte, rief mein Kollege Gernot Bauer, der heutige Innenpolitik-Chef von profil, spontan in der Redaktionskonferenz: „Das ist das größte Comeback seit Lazarus.” Lazarus war bekanntlich jener Freund von Jesus, der vier Tage nach seinem Ableben auf dessen Aufforderung „Lazarus, komm heraus!” quicklebendig wieder seinem Grab enstiegen ist.
Aller Wahrscheinlichkeit wird der nur knapp dem Tod entgangene Pontifex maximus nach wochenlangem Spitalsaufenthalt am kommenden Ostersonntag wieder vor einem Milliardenpublikum (das TV-Auditorium mitgerechnet) von der Mittelloggia des Petersdoms „die Stadt und den Erdkreis” segnen und der damit verbundene Jubel wird viele der Gläubigen, aber auch Agnostiker und Atheisten weltweit zu Tränen rühren. Ein Comeback, das jenem von Lazarus nahezu ebenbürtig scheint. Denn de facto hatten viele Vatikan-Insider nicht mehr mit der Genesung des ersten Jesuiten in diesem hohen Amt gerechnet.
Und in den Redaktionen weltweit – ein Zynismus unserer Branche – hatte man bereits die Nachrufe auf den so ungewöhnlich liberalen und weltoffenen Papst für den Ernstfall vorbereitet. Die Gesundung des Papstes ist auch endlich wieder eine erfreuliche Nachricht, nach all den Katastrophenmeldungen, die uns täglich über die Nachrichtenticker in die Handys gespült werden. Was bei vielen noch so wackeren Medienkonsumenten inzwischen schon zu einem News-Burnout geführt hat.
Her mit den Sandalen, weg mit dem Pomp!
„Der Fasching ist vorbei” zitiert Dompfarrer Toni Faber den Argentinier, dessen Messen in Buenos Aires schon lange vor seiner Amtsernennung Zuläufe wie Rockkonzerte hatten, „er war immer einer, der sich als Diener an der Menschheit betrachtete und mit dem Protz und Prunk, den manche im Vatikan betrieben, aufräumen wollte.” Nach der Ernennung 2013 warf er den Hermelin und auch sonstigen Pomp von sich, statt der roten Prada-Loafers (mit denen sein Vorgänger Benedikt die gläubigen Fashionistas entzückt hatte) waren Sandalen sein liebstes Schuhwerk und gleichzeitig das Symbol für seine Demut und Bescheidenheit. Der 88jährige Papst hat in seiner bislang 12jährigen Amtszeit vieles von seinen Vorgängern gut gemacht, was Tausende aus dem Schoß der katholischen Kirche getrieben hat. „Denken wir nur an die Segnung homosexueller Paare, seine tolerante Haltung gegenüber Scheidung und Wiederverheiratung, und auch in Frauenfragen hat er Riesenschritte getätigt.”
Mit Einschränkungen. Frauen im Priesteramt sind nach wie vor undenkbar, der Zölibat bleibt unangetastet, über der Ehe und die Möglichkeiten der Familiengründung für homosexuelle Paare weht noch immer eine rote Flagge der katholischen Kirche.
Dennoch wird Franziskus in die Kirchengeschichte eingehen.„Sein Eintreten für Migrantinnen und Migranten unterstrich er durch Besuche von Lampedusa oder Lesbos; aus Lesbos nahm er umgehend Flüchtlinge in den Vatikan mit”, resümiert der Religionssoziologe und Theologe Paul Zulehner die Errungenschaften des Papstes für profil, „er überraschte vom Balkon nach der Wahl die wartende Menge mit einem Bona sera und der Bitte um den Segen der Menge. Kleidung, Wohnung, Kleinwagen, aber auch die Fußwaschung von Gefangenen und muslimischer Frauen sind unvergesslich. Er bezeichnet sich demonstrativ als Bischof von Rom, rehabilitierte den Titel Patriarch des Abendlandes und setzte die Bemühung seiner beiden Vorgänger Johannes Paul II. und Benedikt XVI. fort, das Papstamt ökumenefit umzugestalten. Das Vernetzen der Religionen beschränkte sich aber nicht nur auf die anderen christlichen Kirchen, sondern bezog sich auch auf Judentum und Islam.”
Und auch am gestrigen Gründonnerstag hat der noch immer sichtlich geschwächte Papst es sich nicht nehmen lassen, die Haftanstalt Regina-Coeli nahe des Vatikans zu besuchen und 30 Minuten mit 70 Häftlingen zusammen zu treffen.
Auch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig scheint vorösterliche „Vibes” zu spüren. Bei einem ausführlichen Interview mit Gernot Bauer und Clemens Neuhold antwortet er auf die Frage der Kollegen, die da lautet „Der Islam präsentiert 41 Prozent der Religionen in Österreichs Pflichtschulen. Findet da eine tektonische Verschiebung statt?”, wie folgt: „Wer will, dass das prozentuelle Verhältnis von Katholiken höher ist, braucht einfach nur nicht aus der katholischen Kirche auszutreten oder tritt neu ein, dann verschiebt sich das Verhältnis zum Islam wieder.” Nicht unstolzer Nachsatz: „Es hat dem Kardinal Schönborn sehr gefallen, als ich das einmal bei einer Veranstaltung gesagt habe.” Die Nachfolge des Kardinals ist übrigens bis heute noch nicht geklärt.
In diesem Sinn wünscht Ihnen die Redaktion frohe und vor allem friedliche Ostern!
Und vergessen Sie nicht, dass profil demnächst seinen 55. Geburtstag ohne Pomp, aber mit vielen tollen Veranstaltungen feiert.
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