Das Hohe Haus und seine Diener
Ich habe einen Lieblingsort im Parlament, vielleicht weil ich dort früher zu viel Zeit verbracht habe. In der Säulenhalle startete ich oft die Parlamentstage und wartete auf einem der roten Ledersofas dort auf Kolleg:innen, Gesprächspartner oder auf Pressekonferenzen. Es ist der Marktplatz des Parlaments, die historistische Architektur unterstreicht das. Manche gehen eilig vorbei, andere schlendern in die Parlamentskantine. Ich bog zu oft in den falschen Gang ab, und irgendwann kam ich wieder in die Säulenhalle. Ich muss dem Parlament wohl wieder einmal einen Besuch abstatten.
Gestern wurde das Parlament am Ring nach vier Jahren Umbauzeit wiedereröffnet. Und wie meine Kollegin Christa Zöchling in ihrer Reportage vor ein paar Wochen beschreibt, ist das neue Hohe Haus zwar luftiger, aber nicht unbedingt zugänglicher für uns Berichterstatter geworden: “Die Journalistengalerie, einst mehrreihig aufsteigend, besteht jetzt nur noch aus einer Sitzreihe. Dahinter eine Wand aus Plexiglas für Fotografen und Kameras. Die Parlamentsredakteure haben bereits Einspruch erhoben, auch gegen die Regelung, die es Journalisten verbietet, Abgeordneten in die Café-Bar zu folgen. Nach derzeitigem Plan dürfen sie nur ein paar Meter in die Couloirs (der Gang rund um den Plenarsaal) hinein und in einen winzigen Vorraum des Cafés.“
Für Abgeordnete, und solche, die es werden wollen, gibt es hingegen verschärfte Regelungen, zumindest legte die Regierung gestern einen entsprechenden Begutachtungsentwurf vor. Die geplanten Korruptionsregeln werden vor allem beim Mandatskauf verschärft. Hier drohen gleich drei Personen Strafen: Der Person, die Geld gibt, die Geld nimmt und der Person, die den Listenplatz für das gekaufte Mandate schließlich verantwortet.
Und auch Versprechungen von künftigen Mandatsträgern gegen Geldleistungen werden strafbar. Beide Maßnahmen sind direkte Folgen der Ibiza-Affäre und der darauf folgenden Ermittlungen. Den ganzen Begutachtungsentwurf sehen Sie übrigens hier und einen Überblick über die Maßnahmen finden Sie auf profil.at.
Am Wochenende öffnet das Parlament seine Türen für Besucher. Und generell will man mit Parlaments-Newsroom, Lokal am Dach (heißt passenderweise “Kelsen”) und Informationszentrum (“Demokratikum”) offener sein, transparenter soll das alte Haus werden. (Ein Informationsfreiheitsgesetz würde hier übrigens helfen, wartet aber auf Beschluss.)
Entscheidend wird nicht der Schein oder der Glanz eines goldverzierten Bösendorfers, ein Blick über Wien von der Terrasse oder ein offenes Haus sein. Der Stolz eines Parlaments geht nicht vom Gebäude aus, sondern von den Akteuren in ihm. Und wenn man die Handlungen der letzten Jahre betrachtet, ist hier gelinde gesagt Luft nach oben. Neben einem Gebäude brauchen Abgeordnete auch Ressourcen, Debattenkultur - und Transparenz.
Einen guten Freitag,
Sebastian Pumberger