Blake Lively und Justin Baldoni in "Nur noch ein einziges Mal"
Morgenpost

Das Jahr der Pseudofeministen: Blake Lively, Justin Baldoni und die Illusion des aufgeklärten Mannes

2024 und die Fälle Justin Baldoni und El Hotzo beweisen wieder einmal: Auch vermeintlich feministische Männer können übergriffige Sexisten sein.

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Es sollte das Jahr der coolen Frauen werden. Im Juni rief Charli xcx mit ihrem Album „brat“ (Deutsch: Göre) einen Sommer der frechen, selbstbestimmten Frauen hervor. 

Der „brat“-Sommer endete und die kalte Realität kehrte zurück. Der Frauenhass zeigte sich nicht nur in seiner schlimmsten Form im Fall des Vergewaltigungsprozesses um Gisèle Pelicot. Seit Sonntag gibt es neue Vorwürfe wegen sexueller Belästigung, die erneut enttäuschte und aufgelöste Reaktionen auf Social Media hervorrufen.

Und nein, hier geht es nicht um den deutschen Online-Komiker Sebastian Hotz, alias El Hotzo, der vor über einer Woche einen mehr als fragwürdigen Umgang mit den Frauen in seinem Leben gestand, sondern um den amerikanischen Schauspieler Justin Baldoni (vielleicht kennen Sie ihn aus der Netflix-Serie Jane the Virgin), der seine Kollegin, die amerikanische Schauspielerin Blake Lively (bekannt als Serena Van der Woodsen aus der Kultserie Gossip Girl) sexuell belästigt und eine Schmutzkübelkampagne gegen sie gestartet haben soll. 

Baldoni und Lively spielten die Hauptrollen im Kinofilm Nur noch ein einziges Mal, der im August erschienen ist. Der Film erzählt die Geschichte der Floristin Lily Blossom Bloom und des Neurochirurgen Ryle Kincaid. Im Laufe der Handlung wird Ryle immer wieder gewalttätig gegenüber Lily – er stößt sie beispielsweise die Treppe hinunter, woraufhin sie im Krankenhaus landet.

Ein Feel good-Film über häusliche Gewalt?

Nur noch ein einziges Mal wollte darstellen, wie eine gewaltvolle Beziehung aussieht und wie schwer der Ausbruch aus dieser sein kann – doch das ist nur bedingt gelungen. „Dank der etwas verwirrenden Promotion zum Film bekommt man sowieso den Eindruck, es handle sich eher um ein ‚Feel-Good-Movie‘ für die ‚Girls-Night‘ als um eine ernst zu nehmende Auseinandersetzung mit Partnerschaftsgewalt“, schrieb meine Kollegin Eva Sager, als der Film neu erschienen ist. Verfolgte man nur Blake Livelys Auftritte, konnte man den Eindruck gewinnen, Nur noch ein einziges Mal sei eine trendige Liebesgeschichte, die häusliche Gewalt beinahe romantisiert und vor allem eines will: Geld einspielen.

Das Gegenteil war bei ihrem Kollegen Justin Baldoni der Fall, der seit Jahren öffentlich Projekte gegen Zwangsheirat oder toxische Männlichkeitsbilder unterstützt. In seinem Buch „Man Enough“ (Deutsch: Mann genug) hinterfragt er konservative Männerbilder und teilt persönliche Geschichten zu Themen wie Verletzlichkeit, Scham, Beziehungen und Intimität. Justin Baldoni ist zwar nicht der hellste Stern am Hollywood-Himmel, aber er gilt als einer dieser guten, feministischen Männer – einer dieser Männer, mit denen man sich als Frau in einem Raum sicher fühlen würde. 

Schmutzkübelkampagne

Seit Sonntag gerät Baldonis Authentizität gehörig ins Wanken. Lively verklagt Baldoni wegen Rufschädigung und sexueller Belästigung. Baldoni soll während der Dreharbeiten nicht geplante Kussszenen improvisiert, abfällige Kommentare über Livelys Körper gemacht und ein unsicheres Arbeitsumfeld geschaffen haben. Nachdem die Schauspielerin noch während der Dreharbeiten Beschwerde eingereicht hatte, sollen Baldoni und der Produzent des Films, James Heath, eine gezielte PR-Kampagne gestartet haben, um Blake Livelys Ruf zu schädigen – mit Erfolg. Laut Lively und ihren Unterstützern umfasste dies das Verbreiten von Gerüchten, sowie möglicherweise eine gezielte mediale Distanzierung und negative Berichterstattung über sie. Die Schauspielerin legt Dokumente und Chatnachrichten vor, die diese koordinierte Kampagne belegen.

Wegen dieser Anschuldigungen wurde Justin Baldoni von seiner Talentagentur WME fallen gelassen. Laut seinem Anwalt versucht Blake Lively mit dieser Klage, ihren eigenen Ruf zu verbessern.

Erst eine Woche zuvor wurde ein ähnlicher Fall öffentlich, bei dem der Internetstar, Satiriker und Autor Sebastian Hotz alias „El Hotzo“, der – ähnlich wie Baldoni – vor allem durch sein aufgeklärtes, feministisches Engagement bekannt geworden ist, im Mittelpunkt stand. Nachdem Ex-Freundinnen auf „X“ von negativen Erfahrungen in Beziehungen berichteten, ohne Hotz dabei namentlich zu nennen, gab der Internetkomiker zu, ehemalige Partnerinnen manipuliert, betrogen und systematisch belogen zu haben.

Feminismus als Verkaufsstrategie

Die Vorwürfe gegen El Hotzo und Justin Baldoni enttäuschen besonders, weil sie sich gegen Männer richten, die zu den „Guten und Aufgeklärten“ gehörten – zu denen, die ihre Geschlechtsgenossen bei sexistischen Witzen ermahnten und sich für sie schämten, wenn sie sich übergriffig verhielten. Doch am Ende verhalten sie sich ähnlich und profitieren von ihrem Ruf als Feministen – bis die Illusion platzt und Frauen sich bei keinem Mann mehr sicher fühlen können. Nicht einmal bei dem, der sich öffentlich für sie einsetzt.

Auf ein 2025 mit mehr Gören und weniger Pseudofeministen!

Natalia Anders

Natalia Anders

ist Teil des Online-Ressorts und für Social Media zuständig.