Der falsche Klitschko, die FPÖ und das Sommerloch
Es kann uns allen passieren – jederzeit: Auf Falschinfos, manipulierte Bilder oder sogar Deepfakes im Netz hereinzufallen ist keine Schmach. Aus dem Digital News Report 2022 geht hervor, dass über 30 Prozent der Österreicher:innen Bedenken haben, im Internet zwischen Fakten und Falschmeldungen unterscheiden zu können.
Der Wiener SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig gehört inzwischen vermutlich zu diesem Drittel der Ängstlichen – spätestens nach dem Telefonat mit seinem vermeintlichen Kiewer Amtskollegen Vitali Klitschko. Ludwig hat Ende Juni nicht, wie geglaubt, mit dem ehemaligen Profiboxer telefoniert, sondern war in eine Falle getappt. Vielmehr bekannte sich das russische Comedy-Duo namens „Wowan und Lexus“ später zu dem „Streich“, prominente Europäische Bürgermeister:innen - neben Ludwig auch die Berliner Oberbürgermeisterin Franziska Giffey - per Video-Call hereingelegt zu haben.
Der Spott darüber, wie dem Wiener Rathaus ein solcher Fauxpas passieren konnte, warum das Gespräch nicht eher abgebrochen wurde, war enorm – vor allem in den sozialen Medien und bei der Opposition. Auch die Neugierde an potenziell von Ludwig weitergegebenen, brisanten Infos, die den Wiener Politiker möglicherweise in Bedrängnis bringen könnten, war groß. Jetzt ist das etwa zehnminütige Video des Telefonats mit dem falschen Klitschko online gegangen.
Eine genaue Betrachtung zeigt: Ludwig hat sich wacker geschlagen. Der falsche Klitschko wollte unter anderem, dass sich der SPÖ-Politiker dazu bekenne, wohlhabende Russen in Wien zu enteignen. Ludwig verwies souverän auf die EU-Kommission, hierfür sei er nicht zuständig. Auch der Bitte, die ukrainische Flagge neben ihm in die Hand zu nehmen, kam der Wiener Bürgermeister nur zögerlich nach. Vielmehr war seinem Gesicht eine gewisse Irritation abzulesen, die sich in Skepsis verwandelte, als der falsche Klitschko wollte, dass Ludwig „Hoch lebe die Ukraine“ rufe, und in die Höhe springe. Freilich bleiben Fragen offen: Warum ist das Telefonat überhaupt zustande gekommen? Weshalb wurden im Vorfeld keine besseren Überprüfungen angestellt?
Sein „persönliches Ibiza“, wie vor allem in der FPÖ gemutmaßt wurde, erlebte Ludwig jedenfalls nicht. Die freiheitliche Partei hat es bekannterweise durch die Veröffentlichung des Ibiza-Videos im Mai 2019 ordentlich durcheinandergewirbelt. Und scheint sich seitdem nicht erholt zu haben: Aktuell stehen interne Machtkämpfe im Zentrum. Alle Details zu Kickl, Nepp und Co., und was das für die Zukunft der FPÖ bedeutet, können Sie im kommenden profil nachlesen. Und auch, so viel sei bereits verraten, warum die Publikation des Ludwig-Klitschko-Videos kein größeres mediales Echo verursacht hat: Schließlich gibt es dieses Jahr, wie schon seit geraumer Zeit, kein politisches Sommerloch mehr.
Einen schönen Mittwoch,
Katharina Zwins