Der Rekordwanderer: Wer hat Angst vorm bösen Wolf?
Zugegeben, sein Name macht nicht viel her. Doch Wolf GW1909m, 2020 in einem Rudel in Niedersachsen geboren, hat eine spektakuläre Reise hingelegt. Von seiner Heimat in Norddeutschland aus durchquerte er ganz Frankreich, seine bislang letzte DNA-Spur fand man anhand einer Kotprobe in den Pyrenäen. Luftlinie: 1190 Kilometer. Das ist die längste Wanderung eines Wolfs, die jemals dokumentiert wurde, wie Wissenschafter des Senckenberg Zentrums für Wildtiergenetik in Frankfurt kürzlich vermeldeten.
Eines zeigt Rekord-Wolf GW1909m eindrücklich: Die grauen Beutegreifer erobern sich Europa zurück. Auch in Österreich ist der Wolf längst wieder da – und sorgt für enormen Sprengstoff.
Kärntens Kampf gegen den Beutegreifer
In Kärnten geht man besonders hart gegen Wölfe vor. Neun Tiere wurden dort bereits als Problemwölfe eingestuft und legal geschossen, so viele wie in keinem anderen Bundesland. Und auch illegal dürften die von der EU streng geschützten Tiere immer wieder getötet werden, wie mein Kollege Moritz Ablinger bei einer Reportage im Mölltal herausfand. Es herrsche, so berichteten ihm die Bewohnerinnen und Bewohner, die Drei-S-Regel. Schießen, Schaufeln, Schweigen.
Die Drei-S-Regel wird möglicherweise bald nicht mehr nötig sein. Vergangenen Freitag kündigte Kärntens Landeshauptmannstellvertreter Martin Gruber (ÖVP) ein neues Gesetz an: Wölfe sollen künftig schon getötet werden können, wenn „landwirtschaftliche Nutztiere unmittelbar bedroht“ sind. Bisher war dafür eine gewisse Anzahl gerissener Almtiere nötig. Bis zur heurigen Almsaison soll das neue Gesetz bereits gelten. Wirken soll es in eigens zu definierenden „Almschutzgebieten“, in denen „Herdenschutzmaßnahmen nicht umsetzbar sind“, so Gruber. Auf Nachfrage der Austria Presse Agentur präzisierte das Büro des Landeshauptmannstellvertreters: „Ein Großteil der Almen“ in Kärnten wären wohl davon betroffen.
Scharfe Kritik von Wolf-Experte Kotrschal
„Der Wolf wird hier politisch missbraucht“, sagt der renommierte Verhaltensbiologe Kurt Kotrschal vom Forum Wissenschaft & Umwelt auf profil-Anfrage. Einerseits seien schon die aktuellen Abschuss-Verordnungen der Bundesländer EU-rechtswidrig, das geplante Kärntner Gesetz „schlägt nun dem Faß den Boden aus“. Andererseits würde man die Almbäuerinnen und -bauern mit ihren Problemen im Regen stehen lassen. Anstatt Wölfe auf Verdacht zu töten, solle man die Bauern endlich beim großflächigen Herdenschutz unterstützen, so Kotrschal. „Denn so viel ist sicher: Der nächste Wolf kommt bestimmt.“