Morgenpost

Der Schmäh mit den Siegeln

Ob Möbelstücke, Kaffee oder Hühnerkeulen: Nachhaltigkeits-Labels sollen Konsumenten die Kaufentscheidung erleichtern. Doch aktuelle Recherchen von Tierschützern und profil zeigen, dass die Zertifikate nicht immer halten, was sie versprechen.

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Für viele Kunden geben sie den Ausschlag für die Kaufentscheidung: Siegel, die bestätigten, dass Produkte klimaschonend, biologisch oder fair gehandelt sind.

Bei Holz gelten drei Buchstaben als Goldstandard: FSC. Das “Forest Stewardship Council” zertifiziert Holz, das aus nachhaltigen Wäldern stammt – die also wieder aufgeforstet werden. Große Möbelhäuser wie Ikea oder XXX-Lutz schmücken ihre Kästen und Kommoden mit dem Siegel.

Das Problem daran: Kaum jemand weiß, was Zertifikate wie FSC genau aussagen und wie überprüft wird, ob die Standards eingehalten werden. Elena Crisan und Stefan Melichar von profil haben gemeinsam mit über 100 Journalistinnen und Journalisten aus der ganzen Welt das schmutzige Geschäft mit dem Holz durchleuchtet – und einige morsche Stellen im System entdeckt.

Dem Rechercheteam fiel auf, dass ein FSC-Prüfer im März 2022 drei Tage lang eine Rumänien-Tochter des österreichischen Holzkonzerns Egger prüfte und keinerlei Beanstandungen („nonconformities“) dokumentierte – nicht einmal kleine.

Ein halbes Jahr später wurden rumänischen Ermittlungsbeamte bei dem Unternehmen vorstellig. Der Verdacht: Geschäfte mit illegal geschlägertem Holz. Die Ermittlungen laufen allerdings nicht gegen die Egger-Tochter, sondern gegen deren Zulieferer. Rumänien verfügt über großflächige Urwälder, die zwar offiziell unter Schutz stehen, aber trotzdem illegal ausgebeutet werden. 

Dabei garantiert das FSC-Siegel angeblich eine saubere Lieferkette. Der Persilschein für den Betrieb, der ins Visier der Ermittler geriert, wirft kein gutes Licht auf das Zertifikat.

Teil eins der Recherchen zu den Schattenseiten des Holzmarkts können Sie bereits jetzt auf profil.at lesen, weitere Details – Stichwort: Holzschmuggel – erwarten Sie in der kommenden profil-Ausgabe.

Vorsicht vor Labels – das gilt auch bei Lebensmitteln. Immer wieder decken Tierschützer auf, wie unwürdig die Bedingungen für Hühner, Schweine und Kälber in Partnerbetrieben des AMA-Gütesiegels sind. Zuletzt sorgten Aufnahmen aus einem steirischen Hühnerschlachthof für Entsetzten, auf denen zu sehen war, wie Mitarbeiter des Betriebs die lebendigen Tiere gegen einen Container schleudern, um ihnen das Genick zu brechen. Die Umwelt-NGO Greenpeace hält das AMA-Gütesiegel nur für „bedingt vertrauenswürdig“ – eine Einordnung der Organisation zur Aussagekraft der Lebensmittel-Zertifikate finden Sie hier.

Auf dem profil-Cover finden sich garantiert keine fragwürdigen Siegel. Wohl aber unser wichtigstes Qualitätsmerkmal. Es ist nur ein Wort, aber es ist uns heilig: „unabhängig“ steht da links oben unter dem profil-Logo.

Geprüft wird dieses Versprechen jede Woche sehr genau – von unseren Leserinnen und Lesern.

Jakob Winter

Jakob Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.