Dicke Suppe im Fall Karmasin
Großer Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts für Strafsachen, Dienstag, 9:30 Uhr. Auftritt Sophie Karmasin, Meinungsforscherin, von Dezember 2013 bis Ende 2017 Bundesministerin für Jugend und Familien, derzeit: Angeklagte.
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) erhebt in dem Prozess unter Vorsitz von Richter Patrick Aulebauer schwere Vorwürfe gegen Karmasin und einen ehemaligen Abteilungsleiter im Sportministerium. Es geht um wettbewerbsbeschränkende Absprachen im Zusammenhang mit öffentlich finanzierten Studien, für Karmasin zudem um schweren Betrug wegen einer mutmaßlich zu Unrecht bezogenen Fortzahlung ihres Ministerinnengehalts im Jahr 2018. Mein Kollege Stefan Melichar war im Gerichtssaal und schickte uns diese Reportage. Ein paar Beobachtungen zum ersten Prozesstag:
Staatsanwalt Gregor Adamovic fuhr in seinem Eröffnungsplädoyer teils schwere Geschütze auf, sprach von einem „Karmasin-Kartell“ und beschrieb den modus operandi der Ex-Ministerin so: „immer mehr, nie genug, und die anderen sollen zahlen.“ Der Staatsanwalt betonte außerdem, dass hier „eine sehr vermögende Ministerin“ Sozialbetrug begangen habe, man könne zudem von der „Maximalform eines Vorsatzes“ ausgehen. Zu Karmasins Rechtfertigung, dass ihr die gesetzlichen Vorschriften bezüglich Entgeltfortzahlung nicht en detail bewusst gewesen seien, meinte er: „Kann eine hochgebildete Frau mit zwei abgeschlossenen Studien daran irgendetwas missverstehen?" Den juristisch komplexeren Fall der Sportministeriums-Studien erklärte Adamovic schließlich so: „Die Suppe war schon bei Beginn des Ermittlungsverfahrens alles andere als dünn, sie war eher cremig. Die Suppe ist weiter angedickt und jetzt ist sie so dick: Wenn man den Löffel loslässt, bleibt der Löffel stehen."
Die Angeklagte, der mein Kollege Gernot Bauer im neuen profil ein sehr ausführliches – und extrem lesenswertes – Portrait gewidmet hat, bekannte sich zu Prozessbeginn „nicht schuldig“ und erläuterte ihre Sicht der Dinge: Ja, Fehler seien passiert, aber eine strafrechtlich relevante Schuld sei ihr nicht bewusst: „Ich habe mich einspannen lassen.“ Ja, „ich bin damit zu leichtfertig umgegangen" und „im Nachhinein betrachtet war es eine völlig unnötige Aktion von mir", aber: „Ich möchte Ihnen sagen, es war beruflich eine echt schwierige Situation.“
Wie sich diese Situation in den kommenden Prozesstagen darstellen wird? Wir halten Sie hier auf dem Laufenden – und hier erklären Ihnen Stefan Melichar und Anna Thalhammer, welche Vorzeichen der Karmasin-Prozess auf jene Verfahren wirft, die in dem Komplex Casinos/Postenvergabe/Inseratenkorruption noch vor Gericht kommen könnten. Und das sind doch einige.
Einen schönen Mittwoch wünscht Ihnen
Sebastian Hofer