Morgenpost

Die Anklage gegen Trump hat einen Haken

Auch Leute, die Trump politisch nicht nahestehen, haben angesichts des „Schweigegeld“-Falls Bauchschmerzen.

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Morgen ist es voraussichtlich so weit. Ex-Präsident Donald Trump wird vor einem New Yorker Gericht erscheinen müssen. Einer seiner Anwälte sagte am vergangenen Freitag, Trump werde nicht in Handschellen vorgeführt werden, dieser demütigende Aspekt des sogenannten „perp walk“ (kurz für: Perpetrator walk, also Straftäter-Gang) wird ihm also erspart bleiben. Doch Trump ist seit Tagen außer sich darüber, dass er überhaupt vor einem Strafgericht angeklagt wird – als allererster Ex-Präsident der USA.

Wer Trumps politische Karriere verfolgt hat – und wer hat das nicht? – wird sich wohl eher fragen, warum es so lange gedauert hat, ehe eine Staatsanwaltschaft eine Klage gegen ihn erhebt. Verdachtsmomente gegen den Präsidenten der Jahre 2016 bis 2020 gibt es genügend, und das in durchaus schwerwiegenden Fällen.

In Georgia läuft ein Verfahren gegen Trump, weil er unter Verdacht steht, versucht zu haben, das Wahlergebnis der Präsidentschaftswahlen von 2020 zu manipulieren. Weiters steht im Raum, Trump zu belangen, weil er den gewalttätigen Aufstand am 6. Jänner 2021 im Kapitol in Washington D.C. herbeigeführt habe. Und in seiner Residenz in Mar-a-Lago (Florida) hat Trump nach Ende seiner Amtszeit mutmaßlich widerrechtlich Dokumente des Weißen Hauses gelagert.

Lauter ernstzunehmende potenzielle Anklagen.

Der Fall, der jedoch jetzt in New York vor einem Gericht verhandelt wird, verursacht auch Leuten, die Trump als Gefahr für die Demokratie in den USA ansehen, Bauchschmerzen.

In den Berichten darüber heißt es meist, Trump habe „Schweigegeld an eine Porno-Darstellerin gezahlt“. Das klingt einigermaßen anstößig und irgendwie auch verboten.

Was also hat Trump getan?

Die Pornodarstellerin Stephanie Clifford, bekannt als „Stormy Daniels“, sagt, sie habe 2006 Sex mit Trump gehabt, der damals politisch noch nicht aktiv, wohl aber verheiratet war. Trump bestreitet die Affäre, die für sich selbstgenommen völlig legal wäre. Clifford hat nie behauptet, zum Sex in irgendeiner Weise genötigt worden zu sein.

Im Oktober 2016, also zehn Jahre nach dem Vorfall, hat Clifford einen von Trumps Anwalt Michael Cohen ausverhandelten Vertrag unterschrieben, in dem sie sich verpflichtet, die Sex-Affäre gegenüber Medien nicht öffentlich zu machen. Sie bekam dafür im Gegenzug 130.000 Dollar.

Aus österreichischer Perspektive ist ein solcher Vertrag höchst seltsam. Würde jemand hierzulande einen Sexualpartner in den Medien outen, wäre dies ein Verstoß gegen Paragraph 7 des Mediengesetzes, das den „höchstpersönlichen Lebensbereich“ schützt. Trump hätte es in Österreich also nicht nötig, Schweigegeld zu zahlen, denn Clifford würde sich strafbar machen, wenn sie mit der Bettgeschichte an die Öffentlichkeit geht.

Schweigegeld zu zahlen ist auch in den USA nicht verboten. Allerdings hat die konkrete Zahlung noch einen weiteren Aspekt: Im Oktober 2016 stand Trump knapp vor der Präsidentschaftswahl vom 8. November 2016. Die Staatsanwaltschaft argumentiert deshalb, die Schweigegeldzahlung sei im Hinblick auf Trumps Wahlkampf und möglicherweise aus dem Wahlkampfbudget erfolgt und deshalb eine verbotene, weil nicht als solche deklarierte Zuwendung.

Eine knifflige Frage: Hat Trump Clifford für ihr Schweigen bezahlt, weil er verhindern wollte, dass seine Ehefrau von der Affäre erfährt, oder weil er verhindern wollte, dass die Wählerschaft davon erfährt? Die nahe liegende Vermutung: beides.

Sollte das Geld sein eigenes gewesen sein – und tatsächlich hat er Cohen die Summe überwiesen –, so hat Trump im Wesentlichen aus eigener Tasche gezahlt, um seinen Seitensprung geheim zu halten.

Schweigegeld aus einem persönlichen Motiv und mit eigenem Geld wäre jedoch nicht strafbar.

Was die Anklage juristisch zusätzlich heikel und wackelig macht, ist die Tatsache, dass die Bundesjustizbehörden davon Abstand genommen haben, den Fall anzuklagen. Jetzt ist es ein Gericht des Staates New York, das einen möglichen Verstoß gegen ein Bundesgesetz anklagt. Das ist unüblich, manche Juristen in den USA sprechen von „Neuland“.

Der frühere US-Arbeitsminister Robert Reich, ein Demokrat, argumentiert in der britischen Tageszeitung „The Guardian“, weshalb es völlig richtig sei, Trump in diesem Fall anzuklagen, auch wenn dies „der schwächste Fall“ gegen ihn sei.

Im Gegensatz dazu kommt David French, Kolumnist der „New York Times“ zum gegenteiligen Schluss: Die Anklage sei „unklug“.

Meine Kollegin Siobhán Geets hat den Fall in der aktuellen profil-Ausgabe hier zusammengefasst.

Ob Sie sich nun der einen oder der anderen Meinung anschließen (oder gar keiner), wichtig ist es zu wissen, dass nicht nur Leute, die Trump politisch unterstützen, morgen ein metaphorisches Bauchweh verspüren, wenn Ex-Präsident Trump zum ersten Mal vor einem Strafgericht steht.

Robert   Treichler

Robert Treichler

Ressortleitung Ausland, stellvertretender Chefredakteur