US President Donald Trump gives the thumbs up after speaking at the annual Conservative Political Action Conference (CPAC) at the Gaylord National Resort & Convention Center at National Harbor in Oxon Hill, Maryland, on February 22, 2025.
Morgenpost

Wer hat meine Politik so zerstört?

Der selbsternannte König der Welt treibt der Welt langsam jede Komplexität und jeden Widerspruch aus.

Drucken

Schriftgröße

Kollege Treichler hat sich kürzlich der Mühe unterzogen, Donald Trump beim Wort zu nehmen. Am 2. April, dem vom US-Präsidenten in gewohnt genügsamer Manier ausgerufenen „Tag der Befreiung“, zählte Treichler in Trumps Rede achtmal die Vokabel „beautiful“, 14 Mal „fantastic“ und ansehnliche 30 Mal „great“. Treichlers Fazit: „Kleiner Wortschatz, große Freude!“ Insofern kann keineswegs wundersame Wortvermehrung attestiert werden, gab doch der im Vorjahr verstorbene US-Schriftsteller Paul Auster zu Trumps erster Amtszeit zu Protokoll: „Ich ertrage den Mann nicht. Er hat ein Vokabular von 16 Wörtern, sagt jeden Satz doppelt, und jeder ist gelogen.“

Ein typischer Trump-Tag, der diese immergleichen Sätze produziert, verläuft in der Regel in folgenden Achterbahnen: nach dem Aufstehen die forsche Neudefinition dessen, was Wahrheit und Lüge ist; spätestens zu Mittag (plusminus) Schimpfkanonaden in Richtung Journalismus („Volksfeinde“), Europa („Schmarotzer“), China („Übeltäter“); gegen Abend, zum Drüberknüppeln, noch eine gepflegte Breitseite im vom ehemaligen New Yorker Immobilienmogul und selbsternannten König der Welt angezettelten Zollstreit: „Diese Länder rufen uns an. Sie küssen meinen Arsch. Sie brennen darauf, einen Deal zu machen.“ Und so weiter, ad infinitum. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass sich der 47. Präsident der Vereinigten Staaten an all dem je gestört hätte.

„Wer hat mein Lied so zerstört?“, intonierte die große Sängerin Daliah Lavi vor mehr als 50 Jahren: „Wer hat den Sinn so verdreht?“ Womit wir endgültig bei jener Form der Politik angelangt wären, die Trump seit Jahren auf Nimmerwiedersehen zerstört. Früher war Politik das zuweilen beschwerliche, oft langweilige, von Männern in mausgrauen Anzügen unternommene, von blühendem Bürokratismus begleitete Beackern des Möglichen. Und nun? „Deal“ als Universalvokabel, die vorgibt, alles und jedes ohne jegliche Komplikation unter Dach und Fach bringen zu können. Der Krieg in Europa? Deal! Zölle für fast alle Staaten der Welt? Deal, und fertig! Nordkoreas Kernwaffenprogramm? Deal, und basta!

Die völlige Simplifizierung der Politik, letztlich der Welt. Angesichts der Komplexität, die bereits jedes Volksschulkind völlig zu Recht hinter Zollsätzen und Warenwertverkehr, globalen Lieferketten und Herkunftsnachweisen vermutet, kommt einem die Trump-Politik nur mehr läppisch, letzten Endes brandgefährlich vor. Die Welt ist fraglos komplizierter geworden, aber Komplexität und Widerspruch sind den Menschen zumutbar. Die Wahrheit sowieso. Wer hat den Sinn so verdreht?

Wolfgang Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.