Georg Dornauer nimmt den Hut
Zerknirscht schaut anders aus, schuldbewusst sowieso. Bis zum Schluss war Georg Dornauer überzeugt, dass nichts weiter Schlimmes passiert sei: Er habe bloß einen Freund bei einem Jagdausflug in die Steiermark begleitet, bei dem auch René Benko dabei gewesen sei. Also „Kein Gesetzesbruch, kein Schaden, kein Rücktrittsgrund“, betonte Dornauer. Blöderweise sehen das in seiner Partei viele anders. Also nahm der eigenwillige Tiroler SPÖ-Chef und Landesparteivorsitzende am Mittwochvormittag widerwillig seinen Hut und trat nein, nicht zurück, sondern zur Seite.
Verhaltensauffällig zeigte sich der „Partyprinz“ schon lange, in seinem Privatleben und in der Politik. Er überstand Empörungen über sexistische Beleidigungen genauso wie Unmut über einen Fußballmatch-Besuch auf Steuerzahlerkosten. Die Jagd-Affäre erwies sich als der Eklat zu viel. Das war in der SPÖ vielen klar – nur Dornauer nicht, der sich schnurstracks auf dem Weg nach Wien und zu Ministerwürden gesehen hatte. Es brauchte gehörigen Druck von Parteichef Andreas Babler abwärts, um Dornauer zu verdeutlichen, dass er den Weg frei machen muss.
Das tat Dornauer – behält aber sein Landtagsmandat. Zumindest vorerst.
Er ist nicht der erste Spitzenpolitiker, der sich vehement gegen den Abgang wehrt und sich nur zu einem Rücktritt auf Raten aufraffen kann. Bei ÖVP-Obmann und Bundeskanzler Sebastian Kurz dauerte es zwei Monate, bis der Rückzug vollzogen war: Im Oktober 2021, nach Hausdurchsuchungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft im Kanzleramt, versuchte die ÖVP einige Tage lang, dem Chef die Mauer zu machen. Unrühmlicher Höhepunkt: Die Mitteilung „Eine ÖVP-Beteiligung in dieser Bundesregierung wird es ausschließlich mit Sebastian Kurz an der Spitze geben“ unterzeichnet alle ÖVP-Ministerinnen und Minister, Kurz selbst beharrte auf seiner Position als Regierungschef. Zwei Tage später machte er für Alexander Schallenberg Platz und zog sich auf das Amt als Klubobmann zurück. „Schattenkanzler“ wurde zum Wort des Jahres gekürt. Zwei Monate später, am 2. Dezember 2021, erklärte Kurz dann seinen Rückzug aus der Politik.
Seither wird, in wechselnder Lautstärke, über sein Comeback spekuliert, durchaus auch befeuert von ihm selbst.
Genau wie bei seinem damaligen Konkurrenten, SPÖ-Vorsitzenden und Kanzler Christian Kern. Seit der einstige rote Hoffnungsträger 2017 die Wahl gegen Kurz verloren hatte, quälte sich der Quereinsteiger in der Opposition und mit SPÖ-Querrednern. Am 18. September 2018 kündigte der glücklose Kern seinen überraschten Parteifreunden den Rückzug als Parteichef an – und avisierte gleichzeitig, dass er Spitzenkandidat für die EU-Wahl werden will, am liebsten als europaweite Nummer 1 der Sozialdemokratie. Die SPÖ-Gremien segneten Kerns Wechsel in die EU-Politik ab und kürten Pamela Rendi-Wagner als Nachfolgerin. Erste Zweifel werden laut, ob Kern ernsthaft nach Brüssel wechseln will. Am 6. Oktober 2018 warf Kern dann endgültig hin und verkündete den Rückzug aus der Politik: „Für mich ist das ein Schlussstrich als Berufspolitiker.“
Und liebäugelt seither immer wieder damit, das Kapitel Politik neu aufzuschlagen.
Loslassen ist keine leichte Übung.