Drei Gedanken zur verschobenen Gaskonferenz
Vor ziemlich genau einem Jahr blockierten Aktivisten die OMV-Raffiniere in Schwechat, tausende protestierten am Wiener Ring und ein großes Transparent hängte vom Marriott Hotel: „End Fossil Crimes.“ Am Tag darauf waren sechs Brunnen in Wien grün eingefärbt. Grund dafür war die Gaskonferenz, bei der große Energiefirmen, wie Total, Shell oder die OMV, genauso wie Vertreter aus Politik, Beratung und Finanz teilnehmen. Sie findet seit gut 20 Jahren in Wien statt, bis zum Vorjahr interessierte sie aber kaum jemanden außerhalb der Branche. Seit der Energiekrise infolge des Ukraine-Kriegs hat sich das aber schlagartig geändert.
In den alten Zeiten des billigen Gases aus Russland trafen hier dessen Vertreter - also die Gazprom - auf ihre europäischen Kunden. Man kannte einander, man tauschte sich aus. Doch dann kam der Krieg. Im Vorjahr sprachen Teilnehmer von vielen neuen Gesichtern, etwa von US-amerikanischen Firmen, die jetzt viel mehr LNG in die EU liefern. Nach dem medialen Aufruhr im Vorjahr planten Aktivisten heuer wieder einiges. Die Organisatoren sagten nicht einmal zwei Wochen vor Beginn der Konferenz ab. Sie hätten Sorge um das leibliche Wohl der Teilnehmenden, einen neuen Termin gibt es einstweilen noch nicht. Schade, denn es gäbe einiges zu besprechen.
Nach Mangel droht LNG-Überschuss?
Im Vorjahr war die Linie auf der Konferenz klar: LNG (verflüssigtes Erdgas) wird die Energie der Zukunft. Viele europäische Staaten ersetzten russisches Pipelinegas mit LNG und bauen dafür Terminals (siehe Grafik). Die Investitionen gelten als EU-Vorhaben von gemeinsamem Interesse und profitieren somit von gestrafften Verfahren – teilweise werden sie auch über die „Connecting Europe“-Fazilität kofinanziert. Für heuer stand auf der Konferenz der Tagesordnungspunkt „Is Europe heading for a huge excess in LNG import capacity?” (Steht Europa vor einem enormen Überschuss an LNG-Importkapazitäten) Das wäre fatal. LNG ist weitaus umweltschädlicher als Pipelinegas. Im Schnitt sind die Treibhausgasemission, die LNG und sein Transport verursachen, um ein Viertel höher als bei Pipelinegas. Zudem floss in die neue Infrastruktur viel Steuergeld.
Ende des Krisenmodus?
Ein anderer Programmpunkt auf der Konferenzagenda wäre gewesen „Can we stop calling this a crisis?“ (Können wir aufhören, das eine Krise zu nennen?) Nach der ersten Panik im Jahr 2022, der schnellen Reaktion und heißen Diskussionen hat sich die Lage mittlerweile etwas beruhigt. Eine Art Krisenmodus, der auch ökologische Bedenken in den Hintergrund drängte, blieb aber. Für Industrievertreter war die Krise natürlich auch eine Möglichkeit, Pflöcke einzuschlagen - etwa Infrastruktur für LNG zu bauen, die dann lange genützt werden kann. Dieses Wochenende fand trotz Absage der Gaskonferenz eine Gegenkonferenz statt. Bei der von NGOs wie Attac organisierten Veranstaltung „People‘s Summit“ kamen auch Aktivistinnen aus Lateinamerika und afrikanischen Ländern zu Wort. Sie erzählten, dass fossile Projekte, gegen die vor Ort lange protestiert wurde und die bereits auf der Kippe standen, durch die Energiekrise plötzlich wieder auf die Tagesordnung kamen.
Wasserstoff – aber welchen?
Mittlerweile gibt es einen eigenen Wasserstofftag auf der Gas-Konferenz. Das ist zeitgemäß – auf EU-Ebene gibt es Wasserstoffanstrengungen, in Österreich wird das erste industrietaugliche Wasserstoffprojekt von der Burgenland Energie und dem Verbund geplant. Auch in sehr wasserarmen Gegend, etwa in Nordafrika soll viel Wasserstoff produziert werden. Wirklich wichtig ist dabei die Frage: Ist es grüner oder grauer Wasserstoff? Also, wird er mit erneuerbarer oder fossiler Energie produziert?
So viele offene Fragen. Die Konferenz hätte sicherlich interessante Einblicke in eine Industrie im Wandel gegeben. Vielleicht nächstes Jahr dann.