Morgenpost

Dreierkoalition: Österreichs Zukunft in 15 Minuten entschieden

Am Sonntag stimmten die Neos in 15 Minuten über die Zukunft der Republik ab – wenn doch alles so schnell gehen könnte.

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In exakt 15 Minuten war das Go für die erste Dreierkoalition der Zweiten Republik besiegelt. Die letzte Hürde war die gestrige Neos-Mitgliederversammlung. Eine Formsache, aber eine symbolträchtige. 1.635 von 1.737 Mitgliedern stimmten dafür, 102 dagegen. Doch bevor die Parteibasis offiziell erfuhr, dass sie nun Teil der Regierung wird, waren andere schon längst im Bilde. Zuerst klingelte das Telefon von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, dann die der künftigen Koalitionspartner Christian Stocker und Andreas Babler. Das hat unter anderem organisatorische Gründe, schließlich steht heute die Angelobung in der Hofburg an. Van der Bellen soll über das Wochenende übrigens jene Regierungsmitglieder empfangen haben, die er noch nicht so gut kennt.

Drei Minuten verzögert erreichte die Nachricht über die künftige Dreierkoalition dann auch die Parteibasis in und außerhalb der Ballonhalle des Wiener Arsenals. 620 Mitglieder waren vor Ort, der Rest klickte sich online dazu. Doch nicht alle waren überzeugt. Ein Parteimitglied warnte vom Bildschirm aus vor dem finanziellen Spagat der Budgetsanierung. Ein anderer malte das FDP-Schicksal als warnendes Beispiel an die Wand: zu klein zwischen zwei Großen, zerquetscht zwischen Verantwortung und Wahrnehmbarkeit. Ein Dritter zog frustriert von dannen, weil er sich sicher war: „Die Gründermütter und -väter hätten diesem Programm nie zugestimmt.“ Die anderen 94,13 Prozent sahen das ganz offensichtlich anders.

Großer Applaus – und Standing Ovations, mehrfach – gab es für Parteichefin Beate Meinl-Reisinger. Viermal fiel der Name Herbert Kickl auf der Bühne. Viermal wurde betont, wie froh man sei, dass er daran gescheitert ist, eine Regierung zu bilden. „Gott sei Dank“, hängte Meinl-Reisinger in ihrer Rede hinten an. Der Jubel wirkte wie ein Katalysator für die fast schon triumphierende Stimmung in der Parteibasis. Auf jedem Sitzplatz lag das Regierungsprogramm – als eine Art 211-seitige Loseblattsammlung und Erinnerung daran, was jetzt vor der Partei liegt. Im Jänner, zu einem Zeitpunkt, an dem die Koalitionsverhandlungen zuerst ins Stocken geraten und später gescheitert sind, machten die Neos ihre Position klar: Sie waren bereit, ihre Prinzipien zu verteidigen, selbst wenn das die Bildung einer Regierung gefährden würde. Beim zweiten Anlauf der rumpeligen Koalitionsgespräche, als viele bereits auf eine Lösung ohne die Neos setzten, wurde schließlich doch ein Kompromiss gefunden.

Seit ihrer Gründung 2013 haben die Neos gesagt, sie wollen regieren, um zu reformieren. Ein erklärtes Ziel, das in der Praxis jedoch schwer zu erreichen ist. Die großen Reformen, die viele von der Partei erwarten, werden wohl ausbleiben. Dafür ist ihr Einfluss in der Regierung zu begrenzt. Bei der gestrigen Abstimmung wiederholten Mitglieder immer wieder, es sei gut, dass die Partei damals, also Anfang Jänner, aufgestanden und für ihre Prinzipien eingetreten ist. Sie sind sich treu geblieben. Das lässt sich nicht abstreiten. Jetzt liege es an ihnen, zu zeigen, dass sie nicht nur in der Opposition, sondern auch in der Regierung konsequent für ihre Werte eintreten können, ohne sich in der Koalition mit den Großen zu verlieren.

Daniela Breščaković

Daniela Breščaković

ist seit April 2024 Innenpolitik-Redakteurin bei profil. War davor bei der „Kleinen Zeitung“.