Ein Jahr mit Putin: Wie der Alltag im Krieg aussieht
Vor einem Jahr hat Wladimir Putins Russland die Ukraine überfallen. Zum Jahrestag hin häufen sich, wenig überraschend, die intellektuellen Bilanzen, die sicherheitspolitischen Appelle und die quergebürsteten Friedensdemos. Im neuen profil finden Sie zu diesem Anlass etwas anderes: Die Geschichte von Kristina Nikolaienko, 27, Studentin der Internationalen Betriebswirtschaft, wohnhaft in Kiew. Der Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 hat sie im Schlaf erwischt. Von dem bösen Traum, der in den Wochen und Monaten danach folgte, hat Nikolaienko unserem Außenpolitik-Ressortleiter Robert Treichler in vielen Gesprächen erzählt: vom Alltag im Krieg, von den Absurditäten des Konflikts, den seltenen Hoffnungsschimmern.
"Dann, im Juni, erleben Kristina und Dmytro „einen hellen Tag unter hundert dunklen“, wie Kristina auf Instagram schreibt. Die beiden heiraten.
Sie hatten den Entschluss dazu schon vor Monaten gefasst, lange bevor der Krieg ausbrach. Sie hatten von einem großen Fest geträumt, ihre Familien und Freund eingeladen, Musiker engagiert und ihnen einen Vorschuss gezahlt. Schließlich war es unmöglich, unter den Umständen eines Krieges zu feiern. Einige Freund wurden vertrieben, manche waren im Ausland, andere lebten unter russischer Besatzung in der Stadt Cherson, die erst im November wieder von ukrainischen Truppen befreit wurde.
Die Hochzeit fand in einem Bezirksamt in Kiew statt, Kristinas Eltern und ihre Großmutter waren da, Dmytros Mutter und ein paar Freunde. Kristina trug einen beigen Rock, einen weißen Blazer und einen Schleier, Dmytro einen grauen Anzug. Das Gebäude des Bezirksamtes war durch einen Raketentreffern in Mitleidenschaft gezogen, während der Zeremonie hörte man den Wind rauschen. „Es war anders, als ich es mir vorgestellt hatte, aber ich werde das Gefühl nie vergessen“, sagt Kristina."
Unser Appell zum kommenden Jahrestag: Lesen Sie diese Geschichte!
Und haben Sie einen schönen Montag.
Ihr Sebastian Hofer