profil-Morgenpost

Eine Insel der Seligen? Fast.

Auch Energiegemeinschaften spüren die Verwerfungen am Strommarkt. Wenn etwa der Nachbar einem keinen Strom mehr verkauft.

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EVN, Wien Energie und Co erhöhen die Preise, viele sorgen sich vor der nächsten Strom- und Gasrechnung. Energiegemeinschaften wirken da wie eine Insel der Seligen. Seit dem Vorjahr können sich so Produzenten und Verbraucher zusammentun und unabhängig vom Strommarkt werden. Konkret sind das meist Menschen mit Solaranlage am Dach und ohne.

Die Idee besticht: Mein (hypothetischer) Nachbar hat eine Solaranlage am Dach und ich kaufe seinen Strom ein, statt den des Gaskraftwerks in Mellach etwa. Jede Energiegemeinschaft legt ihre Preise selbst fest und ist nicht gewinnorientiert. Beim Besuch einer der ersten Energiegemeinschaften – im südburgenländischen Ollersdorf - sagte der Bürgermeister bei einem schweißtreibenden Spaziergang: „Wir haben keinen Neusiedlersee, keine hohen Berge, keine große Industrie, keine Autobahn-Anbindung, keinen Flughafen in der Nähe, aber wir wollen das nutzen, was wir haben und das sind einfach sehr viele Sonnenstunden.“

Doch durch die hohen Energiepreise verschiebt sich aber auch hier das Gleichgewicht: Nachbarn mit Solaranlage verlassen die Energiegemeinschaften wieder, denn sie bekommen weitaus mehr, wenn sie direkt in die Netze der OeMAG (Abwicklungsstelle für Ökostrom) einspeisen. Im Vorjahr war der Unterschied zwischen Netz und Energiegemeinschaft gering. Durch den verrückten Energiemarkt bekommt der Nachbar jetzt aber 25 Cent pro Kilowattstunde, ab dem dritten Quartal sogar 30 Cent pro Kilowattstunde, wenn er ins Netz einspeist. In der Energiegemeinschaft sind es zwischen 15 und 20 Cent pro KWh, sagt Michael Niederkofler vom erneuerbaren Energielabor „act4.energy“. Und so werden die Nachbarn mit Solaranlage leider rar.

Von Ollersdorf in die Wiener Innenstadt: Franziska Tschinderle und Michael Nikbakhsh haben hinter die verschlossenen Türen eines Ringstraßenpalais geblickt, in dem eigene Regeln gelten. Ehemalige Angestellte des OPEC Funds erzählen von sexuellen Übergriffen, Diskriminierung und einer arbeitsrechtfreien Zone, kombiniert mit diplomatischer Immunität und einer zunehmenden Religiosität der Leitung.

Einen solidarischen Freitag wünscht,

Clara Peterlik

Clara Peterlik

Clara Peterlik

ist seit Juni 2022 in der profil-Wirtschaftsredaktion. Davor war sie bei Bloomberg und Ö1.