Engelhorn: Guter Rat ist teuer
In der profil-Ausgabe vom vergangenen Wochenende haben wir uns ausgiebig mit Marlene Engelhorn, ihrer Geschichte und dem „Guten Rat“ befasst. Immer wieder kam da der Kommentar: „Warum macht sie so ein Tamtam, wieso überweist sie es nicht einfach dem Finanzamt?“ Wir haben uns gefragt, ob das überhaupt geht? Ja, es geht, aber ist fast so unüblich wie einen Bürgerrat abzuhalten. Das sei in den letzten Jahren nie passiert, heißt es aus dem Finanzministerium. Andere Stellen des Bundes erhalten allerdings schon Spenden. An Schulen flossen im Vorjahr rund 1,6 Millionen Euro, an das Denkmalamt 3,2 Millionen. Und: Das Innenministerium erhielt vor längerer Zeit rund 10.000 Euro aus einer Hinterlassenschaft - zweckgewidmet für Polizeihunde.
Marlene Engelhorn widmet ihr Vermögen aber weder Polizeihunden, historischen Bauten oder Schulklassen, sondern lässt einen „Guten Rat“ entscheiden. Der besteht aus 50 möglichst repräsentativ ausgewählten Mitgliedern, die sich alle zwei Wochen in einem Salzburger Hotel treffen. Pro Person und pro Wochenende erhalten die Teilnehmenden 1.200 Euro. Wie die insgesamt 25 Millionen Euro aus dem Erbe von Marlene Engelhorn verwendet werden sollen, wird in Untergruppen zu den Themen Wohnen, Klima oder Bildung erarbeitet. Unterstützung bekommen die Ratsmitglieder von Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Bereichen. Drei Millionen Euro sind in Summe für alle Tätigkeiten vorgesehen.
Konkrete Pläne werden derzeit noch nicht kommuniziert. Man möchte keine Erwartungshaltung wecken. Das lässt sich aber nicht ganz vermeiden. In der automatischen Abwesenheitsemail der Pressestelle des Rats steht gleich: „Ihre Anfrage bezieht sich auf finanzielle Unterstützung? Dann müssen wir Ihnen leider jetzt schon mitteilen: Marlene Engelhorn hat ihr Vermögen dem Guten Rat und dem dazugehörigen Projekt zur Verfügung gestellt. Es wird treuhänderisch verwaltet, deshalb haben weder wir als Team noch Marlene Engelhorn selbst Zugriff darauf – und es gibt leider auch keine Möglichkeit mehr, darüber hinaus zu unterstützen.“ Auch in der Redaktion kam diese Woche schon Post, die um Unterstützung von Frau Engelhorn bat.
Kommendes Wochenende treffen die 50 Menschen erneut aufeinander. profil hat mit drei Ratsmitgliedern gesprochen.
Anna-Lena Strasser
ist Mittelschullehrerin in der Nähe von Innsbruck
Ein Freund hat mir gesagt, wenn du nicht wirklich dabei wärst, hätte ich gedacht, dass es nur Show ist. Ich habe einige Freunde und Bekannte, die zur mittleren und oberen Mittelschicht zählen, und die Panik vor Erbschaftssteuern haben. Da schwingt oft ein wenig Angst mit, wenn sie fragen: Warum muss Marlene Engelhorn das machen? Warum drängt sie sich so in den Mittelpunkt? Dann kläre ich sie halt auf: Wo ist das Problem? Wir sollten uns doch alle freuen, wenn wer mit viel Geld etwas hergibt. Denn ich denke mir: Wenn du eine Million hast, dann wirst du auch einen Tausender übrighaben.
Ich sehe als Mittelschullehrerin und bei meiner Schwester als Krankenschwester, dass Bildung und Gesundheit Bereiche sind, in denen es viel Handlungsbedarf gibt. So geht es wohl allen im Guten Rat – und egal, wohin die 25 Millionen Euro am Ende fließen: Ich bin mit jedem Ergebnis zufrieden, bei dem wir uns einig sind.
Özgül Gencyigitoglu
ist Inhaberin eines Schönheitssalons im Burgenland
Als mich der Brief erreicht hat, war ich gerade in einer schwierigen persönlichen Situation. Die Einladung, mich für den Guten Rat zu bewerben, erschien mir als Lichtblick. Eine Freundin meinte ganz zu Beginn, dass es bei der Sache wohl einen Haken geben muss. Aber nachdem ich das erste Mal dort war und mich dann mit ihr unterhalten habe, hat sich ihre Meinung geändert – sie hat verstanden, wie ernst das Ganze ist.
Ich habe zwei Kinder und sehe, wo die Lücken im Bildungssystem sind. Es gehört einiges radikal verändert. Viele Lehrerinnen und Lehrer sind überfordert, es braucht einfach mehr Leute in den Schulen.
Marlene Engelhorn setzt sich dafür ein, dass Ungerechtigkeiten ernst genommen werden. Einander in schweren Zeiten zu unterstützen, ist auch in meinem Freundeskreis sehr wichtig. Gemeinsam sammeln wir Geld und zahlen zum Beispiel den Strom oder die Miete für andere Frauen, speziell Alleinerzieherinnen, wenn es bei ihnen nicht rund läuft.
Markus Stamminger
ist einer der jüngsten Teilnehmer. Der 17-Jährige geht in ein Gymnasium in Wien Favoriten.
Ich kannte Marlene Engelhorn gar nicht. Als ich den Brief bekommen habe, recherchierte ich mit meinem Vater. Zuerst habe ich gar nicht verstanden, warum sie ihr Vermögen nicht einfach behält, ich habe noch nie so darüber nachgedacht. In Geografie und Wirtschaftskunde haben wir schon mal darüber geredet und ich wusste, wie in etwa das Vermögen in Österreich verteilt ist und dass wir ein Riesenproblem haben.
Jedes Wochenende geht viel voran. Ich habe gemerkt, mehr Köpfe sind schlauer als einer. Wir haben Vorträge von Expertinnen und Experten, die uns die Themen weiter erläutern. Ich wusste davor zum Beispiel nicht, dass man NGOs auch „überfördern“ kann. Und ich wusste auch nicht, dass wir in Österreich einen großen Platzmangel haben, dass wir jeden Tag zu viel verbauen.