Entspannungstropfen: Warum der Regen dem Grundwasser nicht geholfen hat
Das Wochenende gut verbracht? Etwas Sonne getankt? Nach der vorangegangenen langen Regenperiode, mit Überschwemmungen und Murenabgängen, erleben wir nun den heißersehnten Wetterumschwung. Die Stimmung ist - wie sich in vielen Schanigärten landauf landab beobachten lässt - wenig überraschend eine deutlich bessere, wenn man beim Verlassen des Hauses nicht denn Regenschirm, sondern die Sonnencreme einpacken muss.
„Hat es dir nun genug geregnet“, wurde ich zuletzt des Öfteren gefragt. Eine nicht ganz unhämische Anspielung auf unsere Ende Februar erschienene Coverstory, in der wir auf die angespannte Situation bei den heimischen Grundwasserressourcen hinwiesen. Anlass genug, um wieder einmal bei den Experten nachzufragen.
„Eine gewisse Erleichterung ist bemerkbar, aber in Summe war es deutlich zu wenig, um längerfristig von einer Entspannung zu reden“, sagt etwa Gerhard Kammerer von der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien. Die Böden seien jetzt gut aufgefüllt, jeder weitere Niederschlag werde nun zu einer Grundwasserneubildung beitragen. Die Landwirtschaft jedenfalls jubelt. Für sie kam der Regen nach der langen Trockenperiode im Spätwinter genau zum richtigen Zeitpunkt. Was die Grundwasserpegel betrifft, ist die Situation freilich nicht so erfreulich. „Es kommt darauf an, wo man hinschaut“, sagt Roman Neunteufel, der am Institut für Siedlungswasserbau, Industriewasserwirtschaft und Gewässerschutz an der Boku forscht. Die trockenen Quellen in Kärnten, wo Bauernhöfe noch vor wenigen Wochen von der Feuerwehr versorgt werden mussten, würden nun wieder Wasser ausschütten. Doch die Pegel bei den großen Grundwasserkörpern im Osten, wie dem südlichen Wiener Becken oder im Seewinkel seien immer noch niedrig. „Die Sonde in Wiener Neustadt, einem Gebiet, das schon lange unter niedrigen Grundwasserständen leidet - hat kaum mit der Wimper gezuckt“, so der Experte. Es müsste jeden Monat so einen Regen geben, dann könnte man hier in einem halben Jahr von Entspannung reden. Um fehlende Niederschläge aus mehreren Jahren auszugleichen, hat der Regen der letzten Tage jedenfalls nicht gereicht – die Pegelstände sind noch immer auf Rekordtief.
Der Grundwasserpegelstand in Wiener Neustadt befindet sich trotz enormen Niederschlagsmengen noch immer auf historischem Tiefstand.
Zentral sei hier die Klimakrise, die mit Änderungen beim Niederschlag, steigenden Temperaturen, erhöhter Verdunstung und längeren Vegetationsperioden den Grundwasservorrat verringert, gleichzeitig aber den Wasserbedarf, etwa in der Landwirtschaft, erhöht. Auch die enorme Bodenversiegelung in Österreich trägt zu der angespannten Grundwassersituation bei: Niederschlagswasser kann nicht versickern, fließt rasch ab und geht so in den betreffenden Regionen verloren. Eines sei aber laut Neunteufel auch klar: „Ohne diese Niederschläge hätten wir einen brutalen Sommer erlebt, in dem auch Nutzungskonflikte zu erwarten gewesen wäre“. Entwarnung für die Zukunft gibt der Experte nicht: „Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass wir an diesen Punkt kommen“. Die Situation in Norditalien, wo man zuerst mit einer extremen Trockenheit und dann mit extremen Niederschlägen zu kämpfen hatte, sei ein Blick in unsere Zukunft.
Völlig tatenlos muss man dem freilich nicht zusehen: Bodenversiegelung hintanhalten, größere versiegelte Flächen wie Parkplätze so konstruieren, dass Regenwasser nicht abgeleitet wird, sondern lokal versickert. Grünflächen und Gärten nicht mit Grundwasser, sondern mit Grauwasser (also Abwasser, das nicht fäkalienbelastet ist, und etwa vom Waschen oder Duschen stammt) bewässern. Um nur ein paar mögliche Maßnahmen zu nennen.
Einer anderen Form von Mangelversorgung widmen sich in der brandneuen Covergeschichte (jetzt im E-Paper lesen) die Kolleginnen Elena Crisan, Angelika Hager und Edith Meinhart. Sie beschreiben, wie Kinder und Jugendliche im heimischen Gesundheitssystem zu kurz kommen.
Ebenfalls mit Wasser, allerdings im festen Aggregatzustand, beschäftigt sich Kollegin Franziska Dzugan. Anlass ist das 150-Jahr-Jubiläums der ersten österreichisch-ungarischen Nordpolexpedition mit der Entdeckung von Franz-Josef-Land und deren Bedeutung für die Polarforschung.
Eine spannende Lektüre und einen feucht-sonnigen Montag wünscht
Christina Hiptmayr