Morgenpost

Warum immer weniger immer mehr erben werden

In 25 Jahren wird in Österreich pro Jahr doppelt so viel vererbt wie heute, errechneten Forscher der EU-Kommission und der Arbeiterkammer. Warum? Wegen der Demografie.

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83.000 Euro sind nicht nichts. So hoch ist der durchschnittliche Wert von einer Erbschaft in Österreich im Jahr 2025. In Zukunft wird dieser Wert nochmal deutlich steigen - und die Anzahl jener, die etwas erben, weniger. Das legt eine Studie der Arbeiterkammer und des Joint European Research Center der EU-Kommission.  Die Studienautoren - Klaus Grünberger vom Joint European Research Center der EU-Kommission, Judith Derndorfer und Matthias Schnetzer von der Arbeiterkammer - gehen davon aus, dass sich das jährliche Erbvolumen zwischen 2025 und 2050 verdoppelt - von rund 21 auf 41 Milliarden Euro.

Warum? Wird Österreich so viel reicher? Es liegt vor allem am demographischen Wandel. Die geburtenstarke Babyboomer-Generation wird nach und nach aus dem Leben scheiden. Es ist eine Generation, die von wirtschaftlich starken Zeiten profitiert hat. Viele haben sich etwas aufgebaut, ein Haus oder eine Wohnung gekauft. Diese Immobilien stiegen in den vergangenen Jahrzehnten massiv im Wert. 

Hinzu kommt: Die geburtenstarken Babyboomer haben nicht so zahlreiche Nachkommen. Die Geburtenraten sind in den Generationen, die ihnen nachfolgten, gesunken. Die logische Folge: Das Erbe geht an weniger Menschen, die dafür pro Kopf höhere Summen erben. 

Im Durchschnitt wird im obersten Prozent ein Vermögen von 3,4 Millionen Euro übertragen – dieser Wert steigt bis 2050 auf 4,2 Millionen Euro. Die Zahlen sind nicht inflationsbereinigt.

Was sagen uns diese Zahlen?

Ungleichheit wird durch Erbschaften verfestigt. „Wenn leistungslose Erbschaften weniger besteuert werden als Leistungseinkommen durch Arbeit, schafft das ein Ungerechtigkeitsempfinden bei der Bevölkerung“, sagt Studienautor Schnetzer. Auch bekommen Menschen, die nach Österreich ziehen in der Regel nichts (oder bedeutend weniger) vererbt, was die Vermögenskonzentration weiter anheizt.

Viele europäische Länder haben Erbschaftssteuern, in Österreich wurde sie vor über fünfzehn Jahren abgeschafft.  Im Superwahljahr 2024 sind sie aber wieder Wahlkampfthema und polarisieren. SPÖ-Chef Andreas Babler hat das Thema für sich entdeckt und fordert Steuern auf Vermögen und Erbschaften, die sich aber de facto nur an die besonders Reichen im Land richten. Millionenerbin Marlene Engelhorn setzt sich lautstark auf das Thema. Auch Ökonomen der Nationalbank analysierten kürzlich im Sozialbericht des Sozialministeriums die Verteilungseffekte von Erbschaftssteuern. Übrigens ganz zum Missfallen der OeNB-Führung. Die ersuchte, nur Teile der Ergebnisse vorzustellen. Letzten Endes wurde eine geplante Ergebnispräsentation abgesagt.

Steueraufkommen: 900 Millionen bis 1,8 Milliarden Euro

Derzeit liegen mehrere Vorschläge zur Besteuerung von Vermögen auf dem Tisch - in Österreich und international. Die Studienautoren plädieren nicht für ein bestimmtes, sondern rechnen vier verschiedene Vorschläge für Erbschaftssteuern durch. In Modellen mit Freibeträgen von einer Million Euro trifft es nur 0,2 Prozent der Erben. Bei einem Freibetrag von 500.000 Euro nur das oberste Prozent der Erbinnen und Erben. Sie rechnen je nach Tarif mit jährlichen Steuereinnahmen zwischen 900 Millionen und 1,8 Milliarden Euro, und zwar inklusive Ausweicheffekten. Das ist deutlich weniger, als die fünf Milliarden Euro an Einnahmen, mit denen die SPÖ in ihren Vermögenssteuermodellen rechnet.

Die Grundfrage ist dabei: Soll erben - weil leistungslos - besteuert werden? Erbschaftssteuern gelten als besonders unbeliebte Steuer und sie haben dort den höchsten Zuspruch, wo wenig vererbt wird.  Die Daumenregel besagt jedenfalls weiterhin: Je höher der Freibetrag, desto höher die Zustimmung. 

Clara Peterlik

Clara Peterlik

ist seit Juni 2022 in der profil-Wirtschaftsredaktion. Davor war sie bei Bloomberg und Ö1.