Morgenpost

Erdoğans Balkan Moschee

Wie der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan seinen Einfluss in Südosteuropa ausbaut.

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Vier Minarette, jeweils 50 Meter hoch. Eine Fläche von 10.000 Quadratmetern und Platz für bis zu 5.000 Betende. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat gestern die größte Moschee auf dem Balkan eingeweiht. Sie steht in Albanien, ein Land, das früher streng atheistisch war und in dem der Islam bis heute keine besonders große Rolle spielt. 

Erdoğan will das ändern und hat der Hauptstadt Tirana ein Geschenk gemacht: Ein nigelnagelneuer Kuppelbau, der übergroß und ein bisschen fehl am Platz im Zentrum steht, gleich neben dem Parlament. Aber dieses Geschenk könnte sich als ein Trojanisches Pferd entpuppen und der türkischen Regierung langfristig viel Macht und Einfluss in dem kleinen Balkanland bringen. 

Moschee stand jahrelang leer 

Hinter den Minaretten geht es jedenfalls alles andere als harmonisch zu, wie lokale Medien berichten. Von einem „Untergrundkonflikt“ zwischen der türkischen Regierung und der albanischen muslimischen Gemeinde ist auf der Investigativ-Plattform „Reporter.al“ die Rede. Der Zoff wirkt bizarr, könnte aber weitreichende Folgen für die Region haben, die früher einmal Teil des Osmanischen Reiches war und die Erdoğan in den letzten Jahren für sich wiederentdeckt hat. Nicht zuletzt, weil die schleichende EU-Integration ein Vakuum hinterlassen hat. 

Eigentlich hätte die Moschee in Tirana längst ihre Tore öffnen sollen. Im Jahr 2019 war sie so gut wie fertig, aber die türkischen Geldgeber zogen die Fertigstellung in die Länge. Der Grund: Erdoğan ist die lokale, muslimische Gemeinschaft ein Dorn im Auge. Diese wird von einer Dachorganisation vertreten, der Komuniteti Mysliman i Shqipërisë (Kmsh). Die albanische Kmsh ist de jure der Eigentümer der Moschee und somit auch dafür verantwortlich, sie zu verwalten und Imame zu ernennen. 

Kampf gegen Gülen

Erdoğan wirft der Organisation Nähe zur Gülen-Bewegung vor, die er für den gescheiterten Putschversuch von 2016 verantwortlich macht. Seit Jahren übt der türkische Präsident Druck auf Balkanländer aus, Gülen-Schulen zu schließen und Mitarbeiter auszuliefern. Albanien hat dem Druck bisher weitestgehendes standgehalten. Aber im Fall der Moschee sieht es jetzt so aus, als hätte Erdoğan gewonnen. Anstatt den Schlüssel an die lokale Gemeinde zu übergeben, wollen die Türken die Moschee gleich selbst verwalten und ihren eigenen Imam ernennen. 

Albanische Geistliche kritisieren das in der albanischen Presse als „Einmischung eines ausländischen Staates in das religiöse Leben“ ihres Landes. Grund zur Sorge gibt es jedenfalls. Dafür muss man nur nach Deutschland blicken. Dort entpuppten sich einige der von der Türkei entsandte Imame als Spione. Sie sollen Regierungsgegner bespitzelt und vertrauliche Informationen weitergegeben haben. Ist das vielleicht der Grund, warum die Türkei die größte Moschee des Balkans lieber im Alleingang verwalten möchte? 

Franziska Tschinderle

Franziska Tschinderle

schreibt seit 2021 im Außenpolitik-Ressort. Studium Zeitgeschichte und Journalismus in Wien. Schwerpunkt Südosteuropa / Balkan.