ABD0002_20240212 - DÜSSELDORF - DEUTSCHLAND: 12.02.2024, Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf: Ein Wagen mit einer Figur des US-Präsidentschaftskandidaten Trump mit US-Fahne und Schere in der Hand wird zum Rosenmontagszug gefahren. Am Rosenmontag erreicht der Straßenkarneval seinen Höhepunkt. Foto: Federico Gambarini/dpa +++ dpa-Bildfunk +++. - FOTO: APA/dpa/Federico Gambarini
Morgenpost

Botschaft aus Brüssel: EU-Sondergipfel zur Aufrüstung Europas

Der Zündler im Weißen Haus riskiert den Weltenbrand. Beim EU-Sondergipfel an diesem Donnerstag dürften deshalb einstige Tabus fallen.

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Der 20. Jänner 2029 wird mit Sicherheit ein Samstag sein. An diesem Tag werden voraussichtlich auch vier unendlich lange Jahre mit Donald Trump, dem 47. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, mit dem Amtseid seines Nachfolgers, seiner Nachfolgerin, enden. Voraussichtlich. Mutmaßlich. Möglicherweise. Mit Trump etablierte sich bekanntermaßen eine Politik des Vagen und Ungefähren, des Gefährlichen und Giftigen, in stets ungustiöser Mischung aus Plumpheit und Raffinesse in die Welt geschleudert. Darauf ist immerhin Verlass.

2029 ist noch fern. Bis dahin beschäftigt die Trump’sche Brachialrhetorik mitsamt zackig-angeberischen Unterschriften auf Executive Orders, die mit dem geologischen Phänomen des Erdbebens samt tektonischen Verwerfungen bis in unser aller Leben hinein beschrieben werden können, US-Gerichte und EU-Gipfel. An diesem Donnerstag, auf einem EU-Sondergipfel, wollen die 27 Staats- und Regierungschefs erste Entscheidungen zur Aufrüstung Europas treffen.

Weil auf die USA – siehe Wolodymyr Selenskyjs Rauswurf aus dem Weißen Haus vor wenigen Tagen – kein Verlass mehr ist, wollen die EU-Staaten Milliarden in die Rüstungsindustrie pumpen. Auch sonst könnten einstige Tabus fallen: So sollen EU-Haushaltsmittel und Coronahilfen umgewidmet, die strengen EU-Schuldenregeln für die Mitgliedstaaten gelockert werden; die Gespräche zur Gründung einer neuen multilateralen Verteidigungsbank gemeinsam mit Großbritannien und anderen Alliierten seien ebenfalls weit fortgeschritten. Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) nimmt in seiner neuen Funktion zum ersten Mal an einem EU-Gipfel teil. Krisen kennen keine Grenzen.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat den EU-Staats- und Regierungschefs vor der außerordentlichen Sitzung des Europäischen Rats bereits einen Vorschlag zur Aufrüstung Europas, den sogenannten ReArm Europe-Plan, zukommen lassen. Im Brief aus Brüssel ist unter anderem zu lesen: „Wir leben in der bedeutsamsten und gefährlichsten Zeit. Wie ernsthaft die Bedrohungen sind, denen wir gegenüberstehen, muss ich nicht erst erörtern. Oder wie verheerend die Folgen wären, die wir ertragen müssten, wenn diese Bedrohungen Wirklichkeit würden“, erklärt darin von der Leyen. „Denn es stellt sich nicht mehr die Frage, ob die Sicherheit Europas tatsächlich bedroht ist, oder ob Europa mehr Verantwortung für seine eigene Sicherheit übernehmen sollte. In Wahrheit kennen wir die Antworten auf diese Fragen schon lange. Die eigentlichen Fragen, die wir uns stellen müssen, sind, ob Europa bereit ist, so entschlossen zu handeln, wie es die Situation erfordert, und ob Europa bereit und in der Lage ist, so rasch und so ambitioniert zu handeln, wie erforderlich ist.“ 

Trumps Zündeleien geraten derweil da wie dort außer Kontrolle. „Ich glaube ja, Europa wird bald im Krieg mit Russland sein“, stellte unlängst der US-amerikanisch-britische Soziologe Richard Sennett fest. Einen nahenden Atomkrieg schließt Sennett immerhin aus: „Aber ich glaube, dass ganz Europa innerhalb eines Jahres gegen Russland kämpfen wird – in der Ukraine." Wenige Wochen Trump im Weißen Haus. Schon droht der Weltenbrand.

Wolfgang Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.