Morgenpost

Mensdorff-Pouilly, „Panama Papers“ & Co: Die Freigesprochenen

Lobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly hat aus strafrechtlicher Sicht kein Geld gewaschen, die Offshore-Masterminds hinter der „Panama Papers“-Kanzlei „Mossack Fonseca“ auch nicht. Vor Gericht gab es Freisprüche. Aber was heißt das eigentlich?

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Es ist Sommer, es hat 36 Grad – und während viele freihaben, wird andernorts fleißig freigesprochen. Schauplatz eins: das Oberlandesgericht (OLG) Wien. Dort wurde am Mittwoch entschieden, dass Lobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly doch nicht wegen Geldwäscherei zu verurteilen ist. Schauplatz zwei: Panama City. Dort urteilte ein Gericht vor einigen Tagen, dass die Masterminds einer großen Anwaltskanzlei, über deren Offshore-Firmen Bestechungsgelder gelaufen sein sollen, unschuldig sind.

Die beiden Fälle haben mehr gemeinsam, als man auf den ersten Blick glauben möchte. Da wäre zunächst einmal der Umstand, dass es sich um Causen handelt, über die zumindest im weiteren Sinne breit medial berichtet und recherchiert wurden und die teils auch ihren Ursprung in medialen Aufdeckungen haben. In Bezug auf Mensdorff-Pouilly ist das der Endlos-Fall Eurofighter. Bei den Offshore-Anwälten wiederum geht es um die sogenannten „Panama Papers“ – eines von mehreren riesigen Datenlecks aus Steueroasen, welche über die vergangenen Jahre intensiv journalistisch ausgewertet wurden.

Reflex: Medienschelte

Freisprüche in derartigen Causen bringen in der öffentlichen Debatte besonders gerne eines mit sich: Medienschelte. Schließlich sieht es auf einmal so aus, als wäre überhaupt nie etwas dran – und auch nie etwas dabei gewesen. Das gilt nicht nur für Mensdorff und Panama, sondern war zuletzt auch vor allem bei den beiden Freisprüchen für Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zu spüren. Aber stimmt das auch immer?

Als jemand, der sowohl intensiv zu den Eurofightern, in den „Panama Papers“ und zu Strache recherchiert hat, warnt der Autor dieser Morgenpost gerne – und nun auch hier – vor einem fundamentalen Missverständnis. Wenn jemand freigesprochen wird, heißt das nicht automatisch, dass alles bestens war. Es heißt nur, dass das Gericht einen ganz bestimmten Straftatbestand nicht als erfüllt ansieht. Und wenn es nicht um Hendldiebstahl oder Wirtshausraufereien geht, können solche Straftatbestände mitunter ganz schön kompliziert sein.

Die Feinheiten des Strafrechts

An diesem Punkt ergibt sich die zweite Gemeinsamkeit zwischen dem Mensdorff- und dem Panama-Freispruch. Im Zentrum steht ein besonders komplizierter und schwer nachzuweisender Paragraf: Geldwäsche (in Österreich eigentlich: Geldwäscherei).

Der Mensdorff-Fall reicht zurück ins Jahr 2006 (ja, Sie haben richtig gelesen). Damals landeten rund zwei Millionen Euro auf Konten einer von einem Treuhänder gehaltenen Firma, die über kein operatives Geschäft verfügte. (Briefkastenfirma nennt man so etwas landläufig – wieder eine Gemeinsamkeit mit dem Panama-Fall.) Der Großteil des Geldes wurde in bar abgehoben und – einer Zeugenaussage zufolge – an Mensdorff beziehungsweise dessen Mitarbeiter übergeben.

2022 musste der Landwirt und Lobbyist deshalb vor Gericht. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ging davon aus, dass das Geld auf verdeckten Wegen bei der Eurofighter-Firma EADS ausgeschleust worden war – im Nachgang zum umstrittenen Jet-Kauf durch das Bundesheer im Jahr 2003 (auch schon wieder mehr als zwei Jahrzehnte her). Mensdorff hat sämtliche Vorwürfe immer bestritten und betont, es sei gar nicht sein Geld gewesen, sondern das des Ehemannes einer Cousine. Diesen konnte man weder vor Gericht, noch im langen Ermittlungsverfahren fragen. Der war da schon längst verstorben. Das Landesgericht Wien sah es in erster Instanz aber letztlich ohnehin als erwiesen an, dass Mensdorff zumindest einen bedingten Vorsatz gehabt habe, Geld aus einer kriminellen Handlung weiterzuleiten.

Kein geeigneter „Vortäter“

Der Lobbyist ging in Berufung – und das mit Erfolg. Am Mittwoch entschied das OLG Wien rechtskräftig, dass Mensdorff den strafrechtlichen Tatbestand der Geldwäscherei nicht verwirklicht hat. Der Grund dafür liegt offenbar in den fein ziselierten Details dieses Paragrafenen: Geldwäscherei ist – vereinfacht gesagt – das Weiterschleusen von Geld aus einer kriminellen Handlung, damit es irgendwann sauber wirkt. Das Geld muss also seinen Ursprung in einer Straftat haben. Doch das ist noch nicht alles: Laut OLG muss nämlich derjenige, der die Vortat begangen hat, das Geld aus der Tat zunächst selbst bekommen haben.

Die Vortat laut Anklage bestand im vorliegenden Fall aber darin, dass ein Ex-Manager von EADS Geld mit Hilfe von Scheinverträgen aus dem Unternehmen geschleust hat. Dies wäre zwar illegal – nämlich eine sogenannte Untreue. Da der Ex-Manager das Geld aber – soweit nachgewiesen – nicht selbst eingesteckt hat, sondern es an Dritte gegangen ist, ist der Mann aus Sicht des OLG kein geeigneter „Vortäter“. Ohne geeigneten Vortäter, keine Geldwäscherei – und dann kann klarerweise auch niemand dafür verurteilt werden.

Keine Weißwaschung

Man sieht: im Strafrecht – und gerade bei Wirtschafts- und Korruptionsdelikten – geht es mitunter um feinste rechtliche Details. Und das ist auch gut so: Schließlich darf niemand aufgrund vager Einschätzungen ins Gefängnis kommen. Strafrecht ist die Ultima Ratio des Rechtsstaates – das letzte und schärfste Mittel. Nicht jedes problematische Verhalten ist illegal. Damit ist aber auch klar, dass nicht jeder Freispruch – über die strafrechtliche Komponente hinaus – eine komplette Weißwaschung darstellt.

War rund um die Eurofighter alles supersauber? Mitnichten: Dem früheren hochrangigen EADS-Manager, der sich aus Sicht des OLG aus rechtlichen Gründen nun nicht als Geldwäsche-Vortäter eignet, wurden 2019 von der deutschen Justiz wegen Untreue zehn Monate bedingte Haft aufgebrummt. Das Verfahren wurde nicht in einer öffentlichen Verhandlung, sondern per sogenanntem Strafbefehl erledigt. Der Mann hat demnach mittels Scheinverträgen und Scheinrechnungen rund 90 (!) Millionen Euro ohne ersichtliche Gegenleistung an eine Briefkastenfirmen weitergereicht, von der aus das Geld dann munter weiterverteilt wurde.

In der Fachsprache nennt man so etwas „schwarze Kasse“. Die Vermutung, dass damit österreichische Entscheidungsträger bestochen worden wären, konnte aber nie bewiesen werden. Die Untreue reichte der deutschen Justiz als Delikt aus. Für die Geldwäsche in Österreich als allfällige Folgetat ist das zumindest bei Mensdorff offenbar nicht genug.

Zu wenige „Papers“ für Panama? 

In Panama wiederum, war selbst das riesige Datenleck der „Panama Papers“ mit insgesamt 11,5 Millionen Dokumenten allem Anschein nach nicht ausreichend für die dortige Justiz. Die 28 Angeklagten wurden freigesprochen, weil das Gericht einen Mangel an Beweisen ortete. Nun kann man getrost davon ausgehen, dass derartige Offshore-Anbieter deshalb in Ländern wie Panama beheimatet sind, weil die dortige Gesetzeslage günstig für sie ist. Wer nach Verurteilungen in Sachen „Panama Papers“ sucht, könnte aber zum Beispiel in die Schweiz blicken: Dort wurden vom Obergericht in Zürich Ende Juni vier Banker (nicht rechtskräftig) wegen mangelnder Sorgfalt bei Finanzgeschäften verurteilt. Es ging um Geldflüsse rund um den russischen Musiker und Putin-Freund Sergej Roldugin („Putins Cellist“). Ausgelöst wurden die Ermittlungen 2016 durch die – unter Führung des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) und der „Süddeutschen Zeitung“ – ausgewerteten „Panama Papers“.

Nicht der wichtigste Gradmesser

Für die öffentliche Relevanz journalistischer Berichterstattung ist das Strafrecht ohnehin nicht der einzige – und auch nicht der wichtigste – Gradmesser. Deren Wirkung entfaltet sich mitunter auf ganz andere Weise – und darin liegt durchaus eine weitere Gemeinsamkeit zwischen der Causa Eurofighter und der Causa Panama. Der Fall Eurofighter hat dazu geführt, dass das Verteidigungsministerium die Rolle von Lobbyisten im Beschaffungsprozess beschnitten hat – und sogenannte Gegengeschäfte ohne Bezug zum eigentlichen Auftrag, unter deren Mäntelchen massenweise Geld in dunklen Kanälen versickern kann, abgestellt wurden. Ohne den Druck von Medien wie „profil“, die über viele Jahre hinweg an solchen Causen dranbleiben, hätte es solche Schritte wohl nicht gegeben.

Zu den diversen „Papers“ lässt sich sagen: Dass internationale Steuergerechtigkeit zunehmend ein realpolitisches Thema geworden ist, hat mit Sicherheit auch damit zu tun, dass globale Rechercheverbünde seit mehr als zehn Jahren in schöner Regelmäßigkeit fragwürdige Deals aus der Welt der Offshore-Paradiese ans Tageslicht bringen. Das jüngste derartige Projekt, an dem profil beteiligte war, finden Sie übrigens hier – unter dem Titel „Pandora Papers“.  

Und wer weiß: Vielleicht wird auch in Sachen Korruptions- und Geldwäschebekämpfung da und dort ein bisschen nachgeschärft. Damit nicht der sommerliche Eindruck entsteht: Freibad oder Freispruch? Egal – Hauptsache durchtauchen.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).