Karl Heinz Grasser am Dienstag, 25. März 2025, nach der Urteilsverkündung in der Causa Buwog/Grasser am OGH in Wien
Morgenpost

Finanzminister im Teufelskreis

Karl-Heinz Grasser hat nach Jahren endlich ein rechtskräftiges Urteil, und Markus Marterbauer wird so bald sicher kein „Mister Nulldefizit“.

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Zwei knappe Sätze, zusammen kaum 400 Zeichen lang, beendeten gestern eine unendliche Geschichte: „Das erstinstanzliche Urteil wurde in den Anklagepunkten der Untreue betreffend die Privatisierung der Bundeswohnbaugesellschaften und den Abschluss des Vertrags zur Einmietung der Linzer Finanzdienststellen in den „Terminal Tower“ sowie den damit in Zusammenhang stehenden Korruptionsdelikten bestätigt. Das diese Vorwürfe behandelnde Strafverfahren ist damit zur Gänze rechtskräftig erledigt.“

Der Protagonist dieser Geschichte heißt Karl-Heinz Grasser, ist im Jänner 56 Jahre alt geworden, war von 2000 bis 2007 österreichischer Finanzminister (zunächst auf FPÖ-Ticket, danach parteiunabhängig) und seit über 15 Jahren Angeklagter im sogenannten Buwog-Verfahren. Gestern bestätigte der Oberste Gerichtshof (OGH) das erstinstanzliche Urteil gegen Grasser vom Dezember 2020 in den wesentlichen Verfahrensteilen, halbierte das damals ausgesprochene Strafausmaß allerdings auch wegen der langen Verfahrensdauer auf vier Jahre Freiheitsstrafe (unbedingt). 

In einer ersten Reaktion sprach Karl-Heinz Grasser von einem „Fehlurteil“, gegen das er vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Einspruch erheben werde. Aufschiebende Wirkung hat dies allerdings nicht, Grasser muss spätestens ein Monat nach offizieller Übermittlung der Endverfügung durch das Straflandesgericht Wien (mit der in wenigen Wochen gerechnet wird) die Haft antreten.

Einen ihrer Anfänge hat diese unendliche Geschichte übrigens, man sollte das nicht vergessen, im profil. Im Interview mit diesem Magazin hatte Grassers ehemaliger Kabinettsmitarbeiter Michael Ramprecht im Herbst 2009 das „abgekartete Spiel“ seines einstigen Chefs beschrieben, das die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) danach noch viele Jahre lang en detail ermitteln sollte. Am Aufnahmegerät war damals unser Kollege Josef Redl, der – gemeinsam mit profil-Chefreporter Stefan Melichar – hier über den letzten Akt der Causa Grasser berichtet. Und an dieser Stelle finden Sie den vierteiligen profil-Podcast, in dem sich Redl und Melichar dem Wirken und Wehen des Karl-Heinz Grasser in aller gebotenen Ausführlichkeit widmen.

Alle, die damals dabei waren, werden sich erinnern, dass Grasser in den ersten Jahren seiner Amtszeit unter anderem auch als „Mister Nulldefizit“ firmierte. Einen solchen Titel wird sich der derzeitige Finanzminister der Republik Österreich, Markus Marterbauer (SPÖ), auf absehbare Zeit wohl nicht anmaßen.

Soeben haben Marterbauer und der Fiskalrats-Präsident Christoph Badelt im Budget-Ausschuss des Nationalrats ihre aktualisierten Budgetrechnungen vorgestellt. Dabei korrigierten sie das bis dato mit rund 6,3 Milliarden Euro bezifferte Einsparungsziel 2025 deutlich nach oben, das aktuelle Budgetloch klafft demnach auf bis zu 12 Milliarden Euro. Ein wesentlicher Faktor für diese Korrektur sei die beharrlich schwächelnde Wirtschaftsleistung und die auch damit einhergehenden höheren Defizite der Länderbudgets.

Gestern präsentierte die Österreichische Nationalbank ihre Interimsprognose für das laufende Jahr. Im Dezember war die Nationalbank noch von einem dezenten Wirtschaftswachstum von 0,8 Prozent ausgegangen, aktuell sieht sie ein leichtes Minus. Zwar „kommt es im zweiten Halbjahr 2025 zu einer merklichen Konjunkturerholung. Aufgrund des schlechten Startwertes ergibt sich für das Gesamtjahr 2025 jedoch nur eine Stagnation der Wirtschaftsleistung (–0,1 Prozent)“, schreiben die OeNB-Ökonomen. Damit wäre 2025 das dritte Rezessionsjahr in Folge. Zwar rechnet die OeNB im zweiten Halbjahr mit einem Ende der volkswirtschaftlich „längsten Schwächephase der Zweiten Republik“, für Finanzminister Marterbauer hat ihre Prognose trotzdem keine guten Nachrichten parat: „Die OeNB erwartet 2025 nur eine geringfügige Verbesserung des Budgetdefizits auf 3,8 Prozent des BIP. Damit wird die Maastricht-Grenze von 3 Prozent überschritten, die zur Vermeidung eines Defizitverfahrens eingehalten werden müsste.“ 

Die Nationalbank geht von einem zusätzlichen Konsolidierungsbedarf von vier Milliarden Euro aus. Marterbauer hat freilich schon in der montäglichen Sitzung im Budgetausschuss davor gewarnt, es mit den Einsparungen zu übertreiben: Durch ein deutlich vergrößertes Konsolidierungspaket werde „die Konjunktur weiter gedämpft und wir haben einen Teufelskreis.“ 

Mit anderen Worten: Auch diese Geschichte wird uns wohl noch länger verfolgen.

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur und ist seit 2020 Textchef dieses Magazins.