Morgenpost

„Fit mit Philipp“ turnt vor, was in Österreich falsch läuft

Vom Fernsehturner bis zum Polizeidirektor: Chats zeigen, wie Parteien ihre Freunde mit öffentlichen Jobs versorgen. Trotzdem taugt nicht jede Postenbesetzung als Skandal.

Drucken

Schriftgröße

Wie man in Österreich etwas wird, hat der Fitnesstrainer Philipp Jelinek – bekannt aus der ORF-Sendung „Fit mit Philipp“ – kürzlich unfreiwillig vorgezeigt. Man richte seine Bewerbungsunterlagen nicht an die zuständigen Sendungsverantwortlichen des ORF, sondern schicke ein Motivationsschreiben in Form eines Chats an den Vizekanzler der Republik. Der hieß damals, im Jahr 2018, Heinz-Christian Strache (FPÖ) und sollte Jelinek dabei helfen, eine Show im ORF zu bekommen.profil berichtete in den vergangenen Tagen über blaue Postenfantasien im ORF, die teilweise („Martin Thür verhindern“) scheiterten, teilweise aber auch aufgingen – wie der Fall Jelinek zeigt.

Dass sogar für den Job eines Fernsehturners politisch interveniert wurde, ist eine sehr österreichische Geschichte. Nach Bekanntwerden der Chats – Philipp Jelinek bot Strache auch an, ihn über ORF-Interna zu briefen – schickte der Sender den Turner vorgestern für eine Woche in den Urlaub, um die Vorwürfe zu prüfen. Aus vertrauenswürdiger Quelle wurde profil zugetragen, dass nun auch die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) überlegt, ihren Vertrag mit Jelinek vorzeitig aufzulösen. Der Fitnesscoach und Triathlet ist das Testimonial der Aktion „Bewegt im Park“, bei der im Sommer Versicherte zum Sporteln im Freien animiert werden. Die Marke Jelinek sei durch die Chats „beschädigt“, heißt es aus der Kasse. 

Problematischer als Straches Support für Jelinek ist das zugrundeliegende Problem: Die Selbstverständlichkeit, mit der politische Parteien ihren Einfluss im ORF geltend machen wollen – aber nicht nur dort. Wobei es wichtig ist, hier ein paar Dinge auseinanderzuhalten: Nicht jede Postenbesetzung ist gleich Schacherei, nicht jedes Aufsichtsratsmitglied taugt zum Skandal. „Es gibt Posten, die von Parteien besetzt werden müssen und welche, wo das nicht der Fall sein sollte. Weil es viele Fälle für unbotmäßige Besetzungen gab, fällt es uns schwer zu erkennen, wo die Grenze ist“, sagt der Politikwissenschafter Laurenz Ennser-Jedenastik, der zu politisch motivierten Postenbesetzungen in Österreich forschte.


Die Grenze des Zulässigen, wo verläuft sie?

Dass die Bundesregierung Nominierungsrechte wie etwa jene des österreichischen EU-Kommissars wahrnimmt, ist notwendig – es handelt sich schließlich um einen durch und durch politischen Job. Wenn Parteien jede Besetzung affektartig als Mauschelei verunglimpfen, machen sie sich ihr eigenes Leben schwer. Politische Besetzungen von Aufsichtsratsmandaten in staatsnahen Betrieben wie den ÖBB bewertet Ennser-Jedenastik als „weniger problematisch“ als bei Vorständen: „Wenn eine Verkehrsministerin ein Klimaticket durchsetzen will und ein Staatsbetrieb nicht mitspielt, kann es im Sinne der politischen Willensdurchsetzung legitim sein, dort fähige Menschen hinzusetzen, die die eigene politische Agenda teilen. Betonung auf: Menschen mit Expertise.“

Problematischer wird es, wenn Parteien ihre Freunderl in der Polizei, in den Schulen oder in der Justiz versorgen. Bis hinunter zum kleinsten Postenkommandanten sind im Innenministerium politische Interventionen dokumentiert – und unter Lehrkräften gelten gewisse Schulen wie selbstverständlich als „schwarz“ und andere als „rot“. „Da wird die Grenze überschritten“, meint Ennser-Jedenastik, „denn es sollte durch Gesetze ausreichend bestimmt sein, was die Polizei zu tun hat – da braucht es keine parteipolitische Steuerung.“

In der Justiz ist das Problem aus Sicht des Experten unterausgeprägt. Denn an Gerichten entscheiden nicht Politiker über Nachbesetzungen – sondern die Richter selbst. Die Intervention für den fitten Fernseh-Philipp ist für Ennser-Jedenastik untypisch: „Üblicherweise laufen Postendeals nach dem Prinzip ‚quid pro quo‘: Wir geben euch Jobs und kriegen dafür ein Mitspracherecht. Im Falle Jelineks ist der Benefit für Strache nicht gleich erkennbar.“

Außer vielleicht, dass sich Strache „in seiner Macht gefallen hat“ und zeigen wollte: Meine Freunde werden hochgepusht.

Jakob Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.