Morgenpost

FPÖ steigt zur Regierungspartei Nummer 2 auf

In der Steiermark wird mit Mario Kunasek der erste blaue Landeshauptmann angelobt. Damit sitzt die FPÖ schon in mehr Landesregierungen als die SPÖ.

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Eigentlich sind Farbwechsel in Bundesländern recht selten. Im Großteil Österreichs gab es überhaupt noch nie in der Geschichte der Zweiten Republik einen Machtwechsel: In Wien regiert durchgehend seit dem Jahr 1945 die SPÖ, in Oberösterreich, Niederösterreich, Tirol und Vorarlberg genauso durchgehend die ÖVP. Die restlichen vier Bundesländer sind auch höchstens Swing States light: Im Burgenland ist der letzte Machtwechsel (von der ÖVP zur SPÖ) schon 60 Jahre her, in Salzburg und der Steiermark gab es nur jeweils ein Jahrzehnt rotes Intermezzo in sieben Jahrzehnten ÖVP-Landeshauptleuten.

Mario Kunasek ist also ein absoluter Ausnahmefall. Der FPÖ-Spitzenkandidat eroberte bei der Wahl im November Platz 1 von der ÖVP und wird heute, Mittwoch, zum ersten FPÖ-Landeshauptmann in der Steiermark gewählt. Wie stark diese Zäsur ist, zeigt auch eine andere Statistik: Kunasek, der Mister unauffällig, der trotz Korruptionsermittlungen die Wahl gewann, ist nach FPÖ-Langzeitobmann Jörg Haider in Kärnten erst der zweite  freiheitliche Politiker an der Spitze eines Bundeslandes. Haiders Nachlassverwalter Gerhard Dörfler regierte für die FPÖ-Abspaltung BZÖ und verlor 2013 gegen die SPÖ. Von den bisher 75 Landeshauptleuten seit 1945 stellte die ÖVP mit 48 die Mehrheit, 24 kamen von der SPÖ. Alle Bundesländer bis auf Kärnten waren stets in ÖVP- oder SPÖ-Hand – bis nun zur Steiermark und Kunasek.

Sein Aufstieg zum Landeshauptmann setzt den Erfolgslauf der FPÖ fort, sie ist die eindeutige Aufsteigerin des Superwahljahres 2024. Platz 1 bei der EU-Wahl, Platz 1 bei der Nationalratswahl, Platz 1 in der Steiermark – und überall konnte sie fast alle Proteststimmen einsammeln, während im Vorfeld gehypte Gegen-Parteien wie die Bierpartei oder die KPÖ mau abschnitten und zu den Verlierern gehören. Genauso wie die Grünen, die 2024 aus der Landesregierung in Vorarlberg flogen und fast sicher der nächsten Bundesregierung nicht mehr angehören. Die Grünen regierten seit 2003 in Oberösterreich, Wien, Salzburg, Kärnten, Tirol, Vorarlberg – nun sind sie erstmals seit 2002 quer durch Österreich Oppositionspartei.

Die FPÖ hingegen ist zur Regierungspartei Nummer zwei aufgestiegen: Sie stellt den Landeshauptmann in der Steiermark und regiert in Oberösterreich, Salzburg, Vorarlberg und Niederösterreich mit der ÖVP. Damit sitzt sie mittlerweile in mehr Landesregierungen als die SPÖ: Diese regiert nur mehr als Landeshauptmann-Partei in Wien (mit den Neos), in Kärnten (mit der ÖVP) und im Burgenland (allein mit absoluter Mehrheit) und in Tirol als Vize mit der ÖVP – wenn man die machtlosen Proporz-Mitregierungen weglässt, wie etwa in Niederösterreich, wo die SPÖ den „Kontroll-Landesrat“ stellen, aber nicht mitgestalten darf.

2025 könnte sich das Machtgefüge weiter verschieben. Am 19. Jänner finden Landtagswahlen im Burgenland an, FPÖ-Spitzenkandidat Norbert Hofer will der SPÖ die absolute Mehrheit entreißen. Platz 1 für die FPÖ im Burgenland scheint unwahrscheinlich, aber: Hofer könnte sich womöglich als Zweitplatzierter von der drittplatzierten ÖVP zum Landeshauptmann wählen lassen. Außer Hans Peter Doskozil gelingt das Kunststück, die einzig verbliebene absolute Mehrheit eines Landeshauptmannes in einem Bundesland zu verteidigen. Spätestens im Herbst 2025 (vielleicht auch schon im Mai) wird dann in Wien gewählt. Auch dort greift die FPÖ an, zuletzt konnte sie aber in Städten weniger punkten als am Land. Aber ob diese Erkenntnis aus dem Politjahr 2024 auch 2025 gilt, wird nicht zuletzt davon abhängen, ob die Dreierkoalition aus ÖVP, SPÖ und Neos zustande kommt – und wie hart ihr Sparpaket ausfällt.

Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin