Warum China der heimliche Europameister ist
China als Teilnehmer bei der Fußball-EM? Wer die Europameisterschaft bis jetzt verfolgt hat, dem ist die Präsenz chinesischer Unternehmen am Spielfeldrand und in Werbespots bestimmt schon aufgefallen. „Die UEFA EURO 2024 wird Ihnen präsentiert von BYD", dröhnt es vor dem Spiel und in der Halbzeitpause aus dem Fernseher. Der chinesische Elektroauto-Hersteller ist aber nicht die einzige Firma aus China, die die internationale Bühne der EM nutzt. Mit dem Elektronikhersteller Hisense, dem Zahlungsanbieter Alipay sowie dessen Versandanbieter AliExpress und dem Technologiekonzern vivo haben gleich fünf der 13 wichtigsten Sponsoren ihren Hauptsitz in der Volksrepublik.
Experten überrascht diese Präsenz nicht, sie folgt einem langjährigen Muster. Und als Geldgeber ist China im Spitzenfußball längst kein Unbekannter mehr.
Chinesische Dominanz
Mit dem Smartphonehersteller vivo, dem Elektronikanbieter Hisense, dem Zahlungsdienstleister Alipay sowie dessen Versandanbieter AliExpress und dem Elektroautobauer BYD kommen fünf der 13 großen Sponsoren dieser Fußball-EM aus China.
„Die Fußball-Europameisterschaft ist mittlerweile das drittgrößte Sportereignis der Welt und spiegelt im Rahmen dieser auch die Weltwirtschaft wieder", sagt Reinhard Grohs, Professor für Sportmanagement an der Privatuniversität Schloss Seeburg. Diese Bühne nutzt auch der von der EU-Kommission mit Ausgleichszöllen belegte E-Auto-Hersteller BYD als offizieller Mobilitätspartner der Großveranstaltung. BYD, ursprünglich der weltweit größte Batteriehersteller, verfolgt mit dem Sponsoring des Großevents eine Langfriststrategie: am europäischen Markt Fuß zu fassen. „Wenn man auf diesen Markt will, ergibt es Sinn, so ein großes Sponsoring als Teil der Werbestrategie zu nutzen", meint Klaus Friesenbichler, Ökonom am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo).
Experten gehen davon aus, dass der E-Auto-Hersteller den Sponsorendeal mit der UEFA vor circa zwei Jahren abgeschlossen hat. Von Strafzöllen bei der Einfuhr nach Europa war da noch keine Rede. Und mit Blick auf die Batteriefabrik, die BYD gerade in Ungarn hochzieht, ist auch nicht geplant, von dieser Langfriststrategie abzurücken, heißt es aus dem Umfeld des E-Auto-Herstellers.
„Natürlich geht es dabei auch um Staats- beziehungsweise Sportswashing. Neben der versuchten Imageförderungen wird aber auch eine Verkaufsförderung für den Heimmarkt in China betrieben."
China-Präsenz nicht neu
Wirft man einen Blick auf die letzte Fußball-EM im Jahr 2021, fällt auf, dass China auch damals schon in der Sponsorenschaft vertreten war: Hisense und die Kurzvideoplattform TikTok. Im Klubfußball gehört China noch länger zu den großen Geldgebern: „Die Chinesen sind schon vor Jahren mit Alibaba bei Inter Mailand oder auch mit einem chinesischer Staatsfond bei AC Mailand im Europäischen Fußball eingestiegen", sagt Klaus Brüggemann, ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzender des deutschen Fußballclubs Hertha BSC Berlin und Dozent für Sportökonomie an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) in Saarbrücken.
Sportswashing
Sportswashing beschreibt die Praxis, wenn Nationen, Regierungen oder Unternehmen Sport und Sportevents nutzen, um ihren durch Fehlverhalten geschädigten Ruf aufzubessern.
Brüggemann, der bei der Fußball-WM 2006 in Deutschland Operationsmanager für das Olympiastadion Berlin war, meint außerdem: „Der Eindruck, dass es dieses Mal viel mehr Sponsoren aus Asien oder auch den Emiraten gibt, täuscht. Bei der WM 2006 waren die Hauptsponsoren unter anderem Hyundai, Wanda Group und Quatar Airways. Gazprom übrigens auch", sagt Brüggemann. In seinem Buch „Die Fußballblase: Hinter den Kulissen eines Milliardengeschäftes", beleuchtet der Experte unter anderem, wie viel Macht Vermarkter, Ausrüster und Investoren im Fußball haben. „Natürlich geht es dabei auch um Staats- beziehungsweise Sportswashing. Neben der versuchten Imageförderungen für die Chinesen und auch Firmen wie BYD wird aber auch eine Verkaufsförderung für den Heimmarkt in China durch die EURO betrieben", sagt Brüggemann.
Dasselbe Spiel, andere Werbungen
Nicht überall sehen die Zuseher:innen dieser EM so viele chinesische Werbebanner wie in Österreich, denn: Die laufende Europameisterschaft ist laut Grohs das erste Fußball-Großereignis, wo „Virtual Advertising" stattfindet. Dabei werden Werbebanner mithilfe digitaler Technologie in Livespielen so überblendet, dass Werbung individuell angepasst werden kann.
BYD und seine Europastrategie
BYD, ursprünglich der weltweit größte Batteriehersteller, verfolgt mit dem Sponsoring des Großevents eine Langfriststrategie: am europäischen Markt Fuß zu fassen. Von diesen Plänen möchte das Unternehmen, das von der EU-Kommission mit Strafzöllen bei der Einfuhr von E-Autos nach Europa sanktioniert wurde, nicht abweichen, heißt es aus dem Umfeld von BYD.
„Beim laufenden Turnier ist davon auszugehen, dass es neben dem World Feed drei weitere regionale Feeds gibt", sagt der Professor für Sportmanagement. Das bedeutet: Im Stadion laufen auf den Werbebannern die Hauptsponsoren des Turniers. Daneben gibt es aber noch einen „regionalen Feed" für Deutschland (mit fünf Sponsoren, die nur in Deutschland zu sehen sind; Anm.) sowie weitere für China und die USA. Welche Werbung in anderen Ländern ausgespielt wird, lässt sich nur manuell feststellen, meint Grohs: „Indem man sich ein Spiel per VPN-Zugang in einem der Länder ansieht und beobachtet, inwiefern sich die Werbung unterscheidet."
Für die Europameisterschaft bedeute das eine Vervielfältigung der Werbeeinnahmen in Milliardenhöhe, sagt Grohs. Von denen wiederum auch europäische Unternehmen profitieren, indem sie per „Virtual Advertising" die Möglichkeit nutzen, auf den chinesischen und den US-Markt vorzudringen.
Abzuwarten bleibt, wer sich am 14. Juli in Berlin sportlich zum Europameister krönen wird. Am Werbemarkt hingegen scheint das Match bereits entschieden: Den Europameistertitel sichert sich hier China.