Morgenpost

Gefälschte Covid-Zertifikate: Zum Fußballspiel um jeden Preis

FPÖ-Generalsekretär Hafenecker und Ex-FPÖ Mandatar Jenewein wurden gestern zu Geldstrafen verurteilt. Der Grund: Hafenecker habe einen FPÖ-Klub Mitarbeiter beauftragt, gefälschte PCR-Tests für den Einlass zu einem Fußballspiel zu organisieren.

Drucken

Schriftgröße

Gemeinsam ins Auto und ab zum Fußballspiel. Solche Ausflüge haben nicht nur zahlreiche österreichische Fußballfans in den vergangenen Wochen zur Europameisterschaft nach Deutschland gemacht. Auch der FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker, seine Frau, ihr gemeinsames Kind, ein befreundeter FPÖ-Gemeinderat und ein FPÖ-Parlamentsklub-Mitarbeiter haben eine solche Reise am 23. Juni 2021 angetreten.

Das Ziel: Ein Spiel der Fußball EM 2020, die erstmals in mehreren europäischen Metropolen stattfinden sollte – und coronabedingt um ein Jahr verschoben wurde. Und wie das bei Europameisterschaften so ist, warten manche Spieltage mit richtigen Krachern auf. Für die Partie Portugal gegen Frankreich hat der FPÖ-Generalsekretär Hafenecker Karten bekommen. Der Austragungsort: Die nur knapp zweieinhalb Stunden von Wien entfernte Puskás Aréna in Budapest. Eine Autofahrt, die auch gestern am Bezirksgericht Purkersdorf mehrfach besprochen wurde.

„Das war alles sehr kurzfristig“, begann der FPÖ-Klubmitarbeiter die erste Antwort auf die Frage des Richters im Zeugenstand. Der Vorwurf: Er soll für die zum Fußballspiel Reisenden gefälschte PCR-Tests beim Ex-FPÖ-Mandatar Hans-Jörg Jenewein bestellt haben. Um in Budapest auch ganz sicher ins Stadion zu kommen. Von den Karten habe der FPÖ-Klubmitarbeiter erst am Vorabend erfahren und, „da war auch schon klar, dass wir PCR-Tests brauchen.“ Noch am selben Abend ließen sich die Budapest-Fahrer also PCR testen.

Das Problem: Auf die Ergebnisse von solchen Tests wartete man damals in Österreich rund 24 Stunden. Und weil alles sehr kurzfristig war, ahnten die Beteiligten: das könnte knapp werden. In Wien tagte am Spieltag außerdem noch der U-Ausschuss, befragt wurden Ex-Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) und Ex-Justizminister Josef Moser (ÖVP). „Die letzte Auskunftsperson habe ich nicht mehr machen können, um zum Spiel zu fahren“, sagte der FPÖ-Klubmitarbeiter zum Richter.

Prozess ohne Angeklagte

Erschienen ist von den fünf Angeklagten gestern niemand. Bei Verhandlungen am Bezirksgericht, können sich die Angeklagten von Machthabern (also Bevollmächtigten; meist ihre Anwälte; Anm.) vertreten lassen.

Die fünf stiegen also am frühen Nachmittag ins Auto, Hafenecker am Steuer. Und die Testergebnisse waren immer noch nicht da. Da soll der FPÖ-Mitarbeiter, der selbst einen negativen PCR-Test hatte, sich einen Backup-Plan überlegt haben: gefälschte PCR-Testzertifikate beim Ex-FPÖ-Mandatar Jenewein zu bestellen.

Jenewein und die gefälschten Corona Test-Zertifikate

Dass Jenewein Coronatests fälschte, war zumindest dem FPÖ-Klubmitarbeiter bekannt. Die beiden chatteten also, ob er für die anderen vier Personen im Auto negative Testzertifikate anfertigen könne. Jenewein sagte zu – ohne dafür Geld zu verlangen. Anfangs übermittelte er nur Antigentest-Ergebnisse. Es sollten aber PCR-Tests sein, verlieh der FPÖ-Mitarbeiter aus dem Auto von Wien nach Budapest der Bitte Nachdruck. Im Zeugenstand sagte der Klubmitarbeiter, dass dies alles ohne Absprache und Rückfragen der vier anderen im Auto sitzenden Personen abgelaufen sei.

Der Staatsanwalt meinte anschließend, dass er sich schon vorstellen könne, dass sich Mitarbeiter von Politiker:innen Backup-Pläne überlegen. Ob man dafür aber auch strafbare Handlungen oder solche, die in die Nähe einer Straftat kommen, in Kauf nehme? Nein, sagte der FPÖ-Klubmitarbeiter, er bedauere sein Handeln und übernehme die alleinige Verantwortung dafür.

Der Richter glaubte das gestern nicht. Er könne sich nicht vorstellen, dass den gesamten Tag über nie über die Coronatests gesprochen wurde, wenn doch am Vorabend klar gewesen sei, dass man solche noch dringend brauchte.

Orban als Zeuge beantragt

Gefragt wurden die fünf Fußballfans beim Einlass der Puskás Aréna jedenfalls nicht nach den Tests. Generell wurde gestern im Bezirksgericht lange über die rechtlichen Bestimmungen, die zu diesem Zeitpunkt in Ungarn bezüglich der Coronapandemie gegolten haben, diskutiert. Und weil Christoph Völk, der Verteidiger von Hafenecker, es ganz genau geklärt haben wollte, welche Rechtslage denn in Ungarn wirklich gegolten habe, sollte auch Ungarns Premierminister Viktor Orban in den Zeugenstand geladen werden. Diesen Beweismittelantrag wies der Richter um kurz vor 14:00 Uhr aber zurück. Für das Verfahren sei nicht relevant, welche Rechtslage in Ungarn geherrscht habe, es gehe rein um den Paragraf 225a Strafgesetzbuch, die Datenfälschung.

„Ich bin der festen Überzeugung, dass die (Hafenecker und der FPÖ-Klubmitarbeiter; Anm.) entweder noch am Abend oder tagsüber im Laufe des U-Ausschusses darüber gesprochen haben und der Herr Hafenecker seinen Untergebenen mit der Aufgabe (falsche Corona-Testergebnisse zu besorgen; Anm.) bestimmt hat.“

Der Richter in der Begründung des Schuldspruchs

„Gibt es noch Beweisanträge anderer Staatsoberhäupter?“ fragte der Richter mit einem Schmunzeln im Gesicht, bevor er um die Schlussplädoyers bat. Nein, lautete die Antwort der Verteidiger der fünf Angeklagten.

„Ich bin der festen Überzeugung, dass die (Hafenecker und der FPÖ-Klubmitarbeiter; Anm.) entweder noch am Abend oder tagsüber im Laufe des U-Ausschusses darüber gesprochen haben und der Herr Hafenecker seinen Untergebenen mit der Aufgabe (falsche Corona-Testergebnisse zu besorgen; Anm.) bestimmt hat“, führte der Richter seinen Schuldspruch gegen Hafenecker aus. Und: „Hier kann er froh sein, dass ihm von der Staatsanwaltschaft nur die Fälschung seines eigenen Zertifikates vorgeworfen wurde und nicht auch die Bestellung der anderen, denn auch das wäre erfüllt“, so der Richter.

Geldstrafen für Hafenecker und Jenewein

Schuldsprüche gab es für Jenewein und Hafenecker – wegen des Delikts der Datenfälschung als Bestimmungstäter: Laut dem Richter sei es nicht denkbar, dass der FPÖ-Mitarbeiter ohne Auftrag von Hafenecker handelte und die gefälschten Zertifikate bestellte. Jenewein wurde wegen der Fälschung der Corona-Test-Zertifikate verurteilt. Beide erhielten Geldstrafen, Hafenecker aufgrund seines Gehalts als Nationalratsabgeordneter in der Höhe von 5100 Euro. Jenewein, der mittlerweile als Landwirt tätig ist, in der Höhe von 2000 Euro. 

Für die drei Mitangeklagten, darunter die Frau von Hafenecker, gab es Freisprüche. Die Urteile sind nicht rechtskräftig, Hafeneckers Anwalt möchte in Berufung gehen.

Coronapandemie als Stimmenbringer

Damit folgt der FPÖ-Generalsekretär vor allem auch seiner eigenen Argumentationslinie: Bereits im Zusammenhang mit den Tags zuvor präsentieren Ergebnissen der Kreutner-Kommission zur politischen Einflussnahme im Justizministerium sprach Hafenecker von einem „tiefen Staat“, den die ÖVP im Ministerium eingerichtet habe. Und auch FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz rückte kurz nach dem Urteil zu einer Attacke gegen die Justiz aus: „Es sei jedenfalls durchschaubar, dass dieser Prozess nach über zwei Jahren vermeintlicher Ermittlungsarbeit ausgerechnet rund zwei Monate vor der Nationalratswahl über die Bühne gegangen ist“, so Schnedlitz.

Auch mehr als vier Jahre nach Beginn der Coronapandemie lässt das Thema die FPÖ nicht los. Zuletzt spielte der Umgang mit dem Coronavirus auch bei der Landtagswahl in Niederösterreich eine wichtige Rolle: Zugewinne feierte die FPÖ im größten österreichischen Bundesland nämlich vor allem in „impfskeptischen“ Gemeinden – während die ÖVP vor allem dort besonders starke Verluste verzeichnete. Bedankt hat man sich dafür bei den Wähler:innen mit einem Covid-Hilfsfonds für Corona-Folgen, der in Niederösterreich das Ziel verfolgt, „entstandene Schäden – so gut dies möglich ist – wieder gut zu machen“.

Offen bleibt, welche Rolle das Thema Corona bei der Nationalratswahl in zwei Monaten spielen wird. Mitverantwortlich für die generelle Unzufriedenheit und das Wahlmotiv vieler FPÖ-Wähler:innen bei der EU-Wahl Anfang Juni, nämlich „innenpolitisch ein Zeichen zu setzen“, ist Corona und der Umgang mit der Pandemie aber allemal.

Julian Kern

Julian Kern

ist seit März 2024 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. War zuvor im Wirtschaftsressort der „Wiener Zeitung“.