Morgenpost

Geschlechterverhältnisse im Nationalrat: Mehr FPÖ senkt den Frauenanteil

Im künftigen Nationalrat wird der Frauenanteil rückläufig sein. Nur mehr 67 der 183 Sitze dürfte mit Frauen besetzt sein. Spitzenreiter sind die Grünen mit über der Hälfte, Schlusslicht die FPÖ mit knapp einem Viertel weiblicher Abgeordneter.

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In einer Woche wird der neu gewählte Nationalrat in der konstituierenden Sitzung der 28. Gesetzgebungsperiode angelobt. Wer am 24. Oktober für welche Partei ins Parlament einzieht, steht noch nicht offiziell fest. Im Augenblick wird in manchen Fraktionen noch kräftig herumgeschoben. Doch es zeichnet sich bereits ab, wer einen Platz im Hohen Haus ergattert hat – und wie viele Frauen vermutlich unter der 183 Abgeordneten sein werden. Derzeit sieht es danach aus, als wäre der Frauenanteil im Nationalrat rückläufig. Voraussichtlich sinkt er von 41 auf unter 37 Prozent.

Was bereits seit der Wahl feststeht: Die FPÖ wird künftig die größte Fraktion im Nationalrat stellen und konnte ihre Mandatszahl von 30 auf 57 beinahe verdoppeln – davon werden 31 Personen neu in den Nationalrat einziehen. Trotz des Mann-Frau-Reißverschlussprinzips, das die Freiheitlichen für die ersten dreißig Plätze der Bundesliste angewandt hatten, wird die FPÖ-Fraktion von der Geschlechterparität weit entfernt sein. profil liegt eine Liste der Plattform meineabgeordneten.at vor, die eine vorläufige Zusammensetzung des Nationalrats aufgrund der Reihung auf den verschiedenen Listenplätzen enthält. Demnach werden lediglich 13 der 57 freiheitlichen Mandatare weiblich sein. Grund dafür sind vorrangig die (männerdominierten) Regionalkreis- und Landeslisten. Damit sitzen künftig immerhin dreimal so viele FPÖ-Frauen im Parlament – zuletzt gab es im blauen Klub nämlich nur vier Frauen. Mit voraussichtlich knapp 23 Prozent ist die FPÖ trotzdem das Frauen-Quoten-Schlusslicht im neuen Nationalrat.

Je kleiner, desto weiblicher

Generell gilt für den neuen Nationalrat aus heutiger Sicht: Je kleiner die Fraktion, desto höher der Frauenanteil. Nach aktuellen Berechnungen käme die ÖVP auf einen Frauenanteil von 39% (20 von 51 Abgeordneten), die SPÖ ist mit 41 Prozent (oder 17 von 41 Sitzen) nur etwas femininer aufgestellt. Die Neos besetzen künftig wohl 44 Prozent, also 8 der 18 Sitze mit Frauen, die Grünen schicken dafür mit 56 Prozent (neun der 16 Abgeordneten) die meisten Frauen ins Hohe Haus. Insgesamt ergäbe das mit 67 weiblichen Abgeordneten einen Frauenanteil von 36,6 Prozent.

In der abgelaufenen Legislaturperiode saßen so viele Frauen im Parlament wie nie zuvor in der Geschichte der Republik: 75 der 183 Abgeordneten waren zuletzt weiblich, das sind 41 Prozent der Mandate – der historisch höchste Wert. In der konstituierenden Nationalversammlung vom 4. März 1919 waren acht der 159 Abgeordneten Frauen – das entsprach fünf Prozent. Diese Quote steigerte sich nur langsam, erst Mitte der 1980er Jahre übersprangen die Frauen die 10-Prozent-Hürde, in den 90ern dann die Zwanzig-Prozent-Grenze. Knapp nach dem Jahr 2000 stellten Frauen erstmals ein Drittel der Abgeordneten. Diese Entwicklung scheint mit den 41 Prozent im Sommer 2014 einen Höhepunkt erreicht zu heben. 

Je regionaler, desto männlicher

Die allgemeinen Zahlen von Frauen in der österreichischen Spitzenpolitik zeichnen ein ähnliches Bild. Das Institut für Parlamentarismus und Demokratiefragen hat im März 2024 eine Studie vorgelegt, die zeigt, dass sich die Gendersituation leicht verschlechtert hat – vor allem in den heimischen Landtagen ist der Frauenanteil rückläufig.

Auffallend an der Studie ist vor allem eine Beobachtung: Je regionaler die Funktionen und Ämter sind, desto männlicher ist Politik in Österreich. Im (bisherigen) Nationalrat sind sechs von zehn Abgeordneten Frauen. Die Landesregierungen kamen im Februar 2024 auf 38,2 Prozent weibliche Mitglieder, in den Landtagen sind Frauen mit 35,7 Prozent vertreten. Drastisch ist der Gendergap bekannterweise auf Gemeindeebene: Lediglich 10,5 Prozent der Gemeindechefs sind in Österreich Bürgermeisterinnen.

Mit Wahlschein ins Parlament

Wer aber künftig für welche Fraktion im Nationalrat sitzen wird, das wird wohl erst bei der konstituierenden Sitzung am kommenden Donnerstag geklärt sein – zumindest so lange, bis eine neue Regierung gebildet ist. Denn dann rücken für Abgeordnete, die auf die Regierungsbank wechseln, nachgereihte Parteikolleg:innen nach. Die Geschlechterverhältnisse werden sich damit auch noch drehen in den kommenden Wochen.

Judith Belfkih

Judith Belfkih

ist seit Juli 2024 Digital-Chefin bei profil. War davor in der Chefredaktion der „Wiener Zeitung“