Gewerbeimmobilien: 6,3 Milliarden Euro einfach futsch
Wer derzeit durch die heimischen Einkaufsstraßen und Shopping-Center schlendert, dem werden die zahlreichen „Zu vermieten“-Schilder kaum entgehen. Alle paar Meter folgt ein Leerstand auf den anderen. Das Kaffeehaus, das bis vor kurzem täglich frische Waffeln auf seiner Schiefertafel vor dem Eingang angepriesen hat, ist pleite. Das Lokal in einer von Wiens kleineren Fußgängerzonen in Wien Meidling steht jetzt leer. Ein kleines Bekleidungsgeschäft auf der Mariahilfer Straße hat vor kurzem zugesperrt. Einen Nachmieter gibt es noch nicht, nur verhängte Schaufenster.
Und auch hier, vor dem Vio Plaza in Wien Meidling, sieht man schon vor dem Reingehen, dass zahlreiche Büro- und Gewerbeflächen noch zu haben sind. 20 Jahre hat die Fertigstellung des ovalen Glasturms auf den ehemaligen Kometgründen gedauert. Die 10.000 Quadratmeter Geschäfts- und Lokalflächen sind schon so gut wie voll. In den Stockwerken darüber werden für die insgesamt 22.000 Quadratmetern Bürofläche aber noch zahlreiche Mieter gesucht – mit Schildern vor Ort, mit Online-Annoncen auf den Immobilien-Plattformen und über Mundpropaganda.
Bis vor kurzem galten Immobilien noch als Betongold. Gewerbeimmobilien waren da keine Ausnahme. Denn Menschen müssen nicht nur irgendwo wohnen, sondern ja auch irgendwo arbeiten. Das ist ein Stück weit vorbei. Seit gut einem Jahr ist die sonst erfolgsverwöhnte Immobilienbranche in der Krise. Fast täglich schlittert eine Baufirma in die Pleite. Seit Jahresanfang haben 901 Bauunternehmen Insolvenz angemeldet. Das sind drei pro Tag.
Die schnell gestiegenen Zinsen haben die Immobilienfinanzierung massiv verteuert. Die Menschen kaufen und konsumieren weniger. Und auch die Büroflächen werden nicht mehr in dem Ausmaß gebraucht, wie vor Corona.
Kreditausfälle und Bauruinen
Was man im Stadtbild auf den „zu vermieten“-Schildern sieht, hat auch die Bankenbranche erreicht. Oder anders gesagt: Gewerbeimmobilien sind zu einem ziemlich teuren Problem geworden. Die Kreditausfälle bei Gewerbeimmobilien haben sich laut der jüngsten Erhebung der Nationalbank (OeNB) seit Anfang 2023 verdreifacht. Die sogenannte Non-Performing-Loan-Quote (NPL-Ratio), also der Anteil an notleidende Kredite, ist zuletzt auf 4,8 Prozent gestiegen. In Summe sind das 6,3 Milliarden Euro, die als uneinbringlich gelten.
Heimische Finanzinstitute haben in Summe 141 Milliarden Euro an Krediten vergeben, die mit einer Gewerbe- oder Wohnimmobilie besichert sind. Das sind 68 Prozent aller Kredite und dementsprechend hoch im EU-Vergleich. Rund 120 Milliarden Euro stecken im weitesten Sinn in Gewerbeimmobilien.
Vor rund einem Monat hat das Finanzmarktstabilitätsgremium jedenfalls heimischen Banken vorgeschrieben, die Risikovorsorge für Gewerbeimmobilienkredite zu erhöhen. Finanzinstitute sollen einen Risikopuffer von einem Prozent des Eigenkapitals bilden. Eine Immo-Krise ist das freilich noch nicht. Aber das soll auch so bleiben und sollte die Konjunktur nicht bald anspringen, könnten die Kreditausfälle weiter steigen. Und dafür will man gewappnet sein.
Zurück auf die Wiener Mariahilfer Straße. Wie ein Mahnmal der spektakulärsten Firmenpleite Österreichs steht hier das Baugerippe, das einmal ein Luxuskaufhaus aus dem Hause Signa werden sollte. Signa ist jetzt pleite. Der Wiener Investor Georg Stumpf hat die unfertige Baustelle übernommen und soll sie jetzt fertigstellen. Bei heimischen Banken steht Signa nach wie vor mit rund zwei Milliarden Euro in der Kreide. Abgeschrieben ist dieses Geld Großteiles noch nicht. Die meisten Kredite sind grundbüchlich besichert und seit der Pleite vor einem Jahr ruhend gestellt. Bleibt nur noch zu hoffen, dass die Verwertung der Signa-Immobilien genug Geld einbringt, um die Kredite zurückzuzahlen.