Geldscheine, Symbolbild
MORGENPOST

Gewinne(n) verboten – zumindest in der Krise

Nach den Energieversorgern knöpft sich die Politik nun die Banken wegen angeblich unbotmäßiger Zufallsprofite vor.

Drucken

Schriftgröße

Eines vorneweg: Mitleid mit Österreichs Banken wäre aktuell nicht angebracht. Die Branche freut sich über Rekordgewinne. Da kann man zur Not den einen oder anderen Angriff von politischer Seite schon aushalten. Doch der verbale Schritt vom „Gewinner“ zum „Krisengewinnler“ kann trotzdem wehtun. Ist dieser Vorwurf berechtigt?

Dieser – und einer Reihe anderer Fragen – sind mein Kollege Gernot Bauer und ich für die kommende Ausgabe von profil nachgegangen. Sehr hilfreich bei den Recherchen war dabei ein Online-Tool, das die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) auf ihrer Internetseite zur Verfügung stellt.

Von Zinsen und Reflexen

Wer sich ein paar Minuten Zeit nimmt, kann hier selbst Tabellen und Charts zu Einlagen- und Kreditzinsen in Österreich zusammenstellen. So lassen sich Entwicklungen bei den relevanten Zinssätzen anschaulich machen. Und siehe da – die vielfach geäußerte Verdachtslage gegen den heimischen Bankensektor scheint dem Grunde nach auf einer durchaus soliden Zahlenbasis zu beruhen: Während zum Beispiel die Zinsen für länger als zwei Jahre gebundene Spareinlagen privater Haushalte von Jänner 2022 bis Juni 2023 lediglich um 1,13 Prozentpunkte zulegten, stiegen jene für Wohnbaukredite um 1,54 Prozentpunkte – jene für Konsumkredite gar um 2,29 Prozentpunkte. Die von der Europäischen Zentralbank zur Inflationsbekämpfung angestoßenen Zinserhöhungen wurden also an Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer deutlich stärker weitergegeben als an Sparerinnen und Sparer. Dass die daraus resultierende Differenz ein wesentlicher Grund für die guten Geschäftsergebnisse in jüngerer Zeit ist, liegt auf der Hand.

Ebenso auf der Hand liegt der politische Reflex – und bei manchen wohl auch das parteipolitische Kalkül: Bei den Energieunternehmen schöpft der Staat „Zufallsgewinne“ teilweise ab, die diese aus den Preisverwerfungen nach dem russischen Angriff auf die Ukraine lukrieren konnten. Nun sind eben die Banken an der Reihe. Eigentlich logisch. Schaut man genauer hin, zeigen sich jedoch durchaus Unterschiede zwischen der Situation in der Energie- und in der Finanzbranche.

Während die Preisausschläge für Strom und Gas im Vorjahr wohl beispiellos für die vergangenen Jahrzehnte sind, reicht es, die Zins-Charts auf der OeNB-Seite auf Juli 2012 zurückzudrehen, um ähnliche Größenordnungen wie heute zu entdecken. Tägliche fällige Einlagen: damals 0,58 Prozent – jetzt 0,55 Prozent. Spareinlagen, die bis zu zwei Jahren gebunden sind: einst 1,43 Prozent – nun 1,50 Prozent. Wohnbaukredite: 2,86 Prozent anno 2012 – 2,91 Prozent Mitte 2023. Spürbar bessere Zinsen erhielt man damals auf langfristige Spareinlagen, merklich günstiger waren Konsumkredite. Dennoch wirkt das aktuelle Gesamtbild nicht dermaßen verzerrt wie jenes im Vorjahr im Energiesektor, der sich noch dazu im Wesentlichen in Staats- und Ländereigentum befindet.

Partner – oder doch nur Kunden?

Unfair ist es dennoch nicht, wenn man auch die Banken kritisiert. Im Unterschied zu 2012 fällt der rasch durchgereichte Anstieg der Kreditzinsen jetzt genau in eine Zeit, in der auch alles andere im Leben der Bevölkerung massiv teurer wird. (Zum Vergleich: Im Juli 2012 belief sich die Inflationsrate auf – nachgerade läppische – 2,1 Prozent. Aktuell können wir froh sein, den zweistelligen Bereich verlassen zu haben.) Gerade Finanzinstitute präsentieren sich in opulenten Fernsehwerbungen gerne als verantwortungsbewusste Lebensbegleiter ihrer Kundinnen und Kunden. Diese sind allerdings gerade von einer mehrjährigen Pandemie mit massiven persönlichen Einschränkungen in eine Teuerungskrise gestolpert. Letztere resultiert noch dazu aus einem Krieg in Europa, der das Sicherheitsgefühl mehrerer Generationen über den Haufen wirft.

Warum die Banken die Sparzinsen nicht schneller anheben, liegt wirtschaftlich auf der Hand: weil sie es nicht müssen. Die Finanzinstitute verfügen über ausreichend günstigere Liquidität. Ein Wettbewerb um Sparkunden, der Zinssätze nach oben lizitieren würden, ist schon gar nicht zu spüren. Rein wirtschaftliche Logik deckt sich aber nicht unbedingt mit dem Image, das die großen Banken gerne vor sich hertragen. Sind Kreditnehmer und Sparer am Ende vielleicht doch keine Partner auf Augenhöhe, sondern schnöde Geldquellen?

Wenn es hart auf hart kommt, könnte die Politik durchaus wieder eine Gemeinsamkeit zwischen dem Finanz- und dem Energiesektor entdecken: Auch Banken sind bis zu einem gewissen Grad „Versorger“. Ohne funktionierendes Finanzsystem ist eine moderne Gesellschaft nicht denkbar. Deshalb sind Kreditinstitute streng reguliert. Deshalb greift der Staat mitunter aber auch rettend ein, wenn sich die eine oder andere Bank nicht mehr aus eigener Kraft zu helfen weiß. Und in solchen Situationen zählt dann auch nicht mehr unbedingt nur das freie Spiel der Marktwirtschaft.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).