Hitze oder Hagel – Hauptsache Freizeit!
Heute um exakt 16:57 Uhr findet in Österreich der astronomische Sommerbeginn statt, darum ein guter Rat: Sollten Sie einen klassischen 9-to-5-Job haben, versuchen Sie doch, eine Viertelstunde früher hitzefrei zu bekommen. Leider besteht darauf kein Rechtsanspruch, es gibt in der Arbeitsstättenverordnung ja nicht einmal eine allgemeine Verpflichtung zum Einbau einer Klimaanlage. Lediglich das Bauerbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz sieht bei Temperaturen jenseits der 32,5 Grad Celsius die Niederlegung von Arbeiten im Freien vor, und dass solche Tropenhitze in dem Gesetz tatsächlich als Schlechtwetter firmiert, erscheint uns zu Sommerbeginn 2023 fast schon visionär.Denn insgesamt müssen wir liebgewonnene Umwelteinschätzungen ja zunehmend revidieren und zähneknirschend einsehen, dass wir uns in Wahrheit freuen sollten, wenn es das halbe Frühjahr lang regnet (gut für den Neusiedlersee!), wenn Insekten uns umschwirren (gut für die Biodiversität!) und Vögel auf den Gastgartentisch kacken (nach Büroschluss!). Es ist alles gut, auch wenn es uns spontan nicht so vorkommt.
Aber zurück ins Büro: Der sommergenußtechnisch sehr vorteilhaften 32-Stunden-Woche wird derzeit von dem neuen SPÖ-Chef Andreas Babler ja heftig das Wort geredet, nicht zuletzt auch via profil: „Die Arbeitszeitverkürzung bleibt zentral, diese Hauptforderung endet nicht am ersten Mai", betonte er etwa hier. Aber weil Politik nun einmal kein Halbtagesjob ist, wird Babler von der Konkurrenz seither quasi rund um die Uhr darüber belehrt, was davon zu halten sei. FPÖ-Chef Herbert Kickl erklärte Babler im profil-Interview (und unabhängig von der Wochenarbeitszeit) rundheraus zum Lenin-Fan und insofern für nicht satisfaktionsfähig, der Wiener Vizebürgermeister und Neos-Politiker Christoph Wiederkehr wiederum meinte gegenüber profil online: „Eine 32-Stunden-Woche in der jetzigen Zeit ist absurd. Das ist eine unrealistische und nicht machbare Politik."
Ebenso unrealistisch erscheint aus unserer frühmorgendlicher Perspektive ein Radausflug nach Feierabend – es wird dafür mit hoher Wahrscheinlichkeit entweder zu heiß oder zu hagelig sein. Durchaus machbar dagegen wäre es, sich von Wolfgang Paternos schöner Radfahr-Kulturgeschichte im aktuellen profil inspirieren lassen. Ihr entnehmen wir unter anderem folgende wichtige Erkenntnisse:
Fahrräder schreiben Geschichte, im Kleinen wie im Großen. Allen, die es hören oder auch nicht hören wollten, erzählte der Boxer und Maulheld Muhammad Ali gern die Anekdote, wie er zum Größten aller Zeiten wurde. Alles begann im Oktober 1954 in Louisville, Kentucky, mit einem gestohlenen Kinderfahrrad. Klein Ali weinte sich beim Polizisten Joe E. Martin aus, der nach Feierabend Betreiber einer Boxschule war. Der Rest ist Sportgeschichte. Am 2. Februar 1967 wiederum ließ Harrison Salisbury, stellvertretender Chefredakteur der „New York Times“, mit der Aussage aufhorchen, die Großmacht USA würde den Krieg in Vietnam verlieren – besiegt von einer Fahrrad-Armada. Nordvietnams Armee verwandelte Fahrräder in veritable Schleppwunder, um damit entlang des Ho-Chi-Minh-Pfads Munition und Ausrüstung zu transportieren.
Soweit bekannt, hat die Wiener Radwegoffensive trotzdem keine realkommunistischen Hintergründe.
Einen schönen Sommerbeginn wünscht Ihnen
Sebastian Hofer