Land unter
Der Höchststand an der Salzach wird in der nächsten Zeit erreicht.
Am Inn werden noch steigende Wasserstände verzeichnet und der Höchststand in den nächsten Stunden erwartet.
Die Alarmgrenze 1 an den Donaupegeln Achleiten und Linz sind überschritten.
So lauteten nur ein paar der Warnmeldungen am gestrigen Nachmittag auf der Webseite des Hydrographischen Dienstes des Landes Oberösterreich.
Es ist schon paradox: Die Klimakrise lässt ihre desaströsen Muskeln spielen. In Süddeutschland herrscht „Land unter“, das Jahrhunderthochwasser forderte fünf Todesopfer. In Ober- und Niederösterreich zittert man ob der sich heranwälzenden Wassermassen. Währenddessen hängt das EU-Renaturierungsgesetz am seidenen Faden und Bundeskanzler Nehammer springt für den Verbrennungsmotor in die Bresche.
Wenige Tage vor der EU-Wahl wird versucht mit Klientelpolitik Stimmung zu machen, statt die wohl größte Herausforderung unserer Zeit in Angriff zu nehmen.
Wohl wahr: Inwiefern einzelne Katastrophenereignisse direkt mit der Klimakrise zusammenhängen, ist schwer nachweisbar. Als Folge der Erderhitzung nehmen Extremwetterereignisse aber weltweit und auch in Österreich zu. Die wärmere Luft nimmt mehr Wasserdampf auf, dadurch wächst etwa die Zahl der Tage mit viel Regen in warmen Jahreszeiten und die Gefahr und Intensität kleinräumiger Unwetter. Eine Erkenntnis, die nicht erst gestern gewonnen wurde. Wissenschafter warnen schon lange. Etwa Reinhard Mechler, Mitglied des Weltklimarats und Forscher am International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA), der im Jahr 2013 festhielt: „Der neueste Weltklimabericht bestätigt eine Zunahme der Wetterextreme wie Hitzewellen und Starkniederschläge in Intensität und Häufigkeit.“
Das kann nicht nur Leid und Zerstörung bringen, sondern kostet auch Geld. So verursachten laut der österreichischen Hagelversicherung Extremwetterereignisse aufgrund der Erderwärmung in der heimischen Landwirtschaft im vergangenen Jahr einen Gesamtschaden von 250 Millionen Euro.
Auch für Privathaushalte kann es richtig teuer werden. Vor allem, weil speziell ältere Verträge bei Eigenheim- und Haushaltsversicherungen ein Limit bei den Versicherungssummen haben, welches im Fall von Naturkatastrophen die Größenordnung von 10.000 Euro oft nicht übersteigt. Das reicht bei einem massiven Hochwasserschaden bei weitem nicht aus.
Das Finanzministerium stellt jährlich rund 600 Millionen Euro aus dem Katastrophenfonds zur Verfügung. Neben Entschädigungen werden daraus auch die Ausrüstung für die Feuerwehr, Entgeltfortzahlungen für freiwillige Helferinnen und Helfer und vor allem präventive Maßnahmen bezahlt.
Das Fatale: Auch wenn wir ab sofort weniger CO2 emittieren, wird das in den kommenden Jahren Dürren oder Hochwässer nicht verhindern. Das liegt daran, dass schon jetzt zu viel CO2 in der Atmosphäre ist und es Jahrzehnte dauert, bis es dort wieder verschwindet. Umso wichtiger, möglichst schnell in die Gänge zu kommen.
Ein Baustein wäre das Renaturierungsgesetz: Eigentlich war es schon in trockenen Tüchern. In mehr als zwei Jahren Verhandlungen hatte man sich mühsam auf einen Kompromiss geeinigt, mit dessen Hilfe die Natur in den kommenden sechs Jahren auf 20 Prozent der Fläche der EU wieder in einen ökologisch guten Zustand versetzt werden soll. Für den Agrarsektor wurden weitreichende Zugeständnisse vereinbart und Landwirte ausdrücklich von individuellen Verpflichtungen freigestellt. In Österreich etwa legen sich die Bundesländer trotzdem noch quer.
Das Renaturierungsgesetz würde unter anderem vorsehen, 25.000 Flusskilometer in Europa zu renaturieren. „Die derzeitigen Hochwässer zeigen erneut, wie wichtig es wäre, dass die EU-Renaturierungsrichtlinie rasch umgesetzt wird. Durch eine Renaturierung gibt man den Flüssen mehr Platz und schafft damit Retentionsräume, die Hochwasserwellen dämpfen“, sagt Günter Langergraber von der Universität für Bodenkultur Wien. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass österreichische Politiker den Beschluss blockieren“, so der Wissenschafter.
Ein bisschen Zeit ist ja noch für ein Umdenken. Am 17. Juni kommen die Umweltminister der EU-Staaten in Luxemburg zusammen, um darüber abzustimmen. Klimaministerin Leonore Gewessler will alles dafür tun, damit es in Kraft gesetzt werden kann, wie sie in „Vorsicht, heiß!“, dem profil-Klimapodcast sagte. Ob sie das noch als Erfolg für ihre Partei, die Grünen, vor der nächsten Wahl verbuchen kann, hängt aber von der Unterstützung der Länder ab. Und die ist ihr alles andere als gewiss.