Morgenpost

„Kommen Sie aus der Ostmark?”

Ein historisches, sowie dunkles Ereignis: die AfD konnte in Thüringen den befürchteten ersten Platz einfahren. Ein Vorgeschmack für Österreich? Vor der Nationalratswahl untersuchte ein profil-Team noch die Arbeitsmoral unserer 183 Volksvertreter. Den geringsten Frauenanteil hält die FPÖ.

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Die Frage nach ihrer Herkunft aus der Ostmark, dem einstigen NS-Terminus für das annektierte Österreich, wurde profil-Redakteurin Siobhán Geets tatsächlich gestellt, als sie ein paar Wochen vor dem Wahltag im deutschen Bundesland Thüringen auf Lokalaugenschein gegangen war. Es war ein Recherchegang in die Finsternis rechtsextremer Euphorie, so beklemmend wie irritierend. Und möglicherweise ein bitterer Vorgeschmack auf die Österreich-Wahl. Wie mit hoher Wahrscheinlichkeit vermutet, konnte die rechtsextreme (der Ausdruck ist juristisch korrekt) AfD (Alternative für Deutschland) mit ihrem Spitzenkandidaten Björn Höcke in Thüringen das Siegerpodest am vergangenen Sonntag für sich beanspruchen. In Sachsen konnte die CDU noch einen sehr knappen Sieg einfahren. 

Geets konnte während ihrer Reportage Zeuge werden, wie von der Rednerbühne „Für Deutschland alles!” gebrüllt wurde, eine Variation der SA-Parole „Alles für Deutschland”, deren Einsatz Höcke einst schon 13000 Euro Strafe auf Grund von verfassungswidriger Betätigung gekostet hatte. 

Termini wie „Bevölkerungsaustausch”, „Remigration”und „Volkstod” gehören in diesen Regionen der „freiheitsliebenden Mutbürger” (Höcke) bereits zum Alltagsvokabular. Die Bedrohung, die jetzt zur Realität, wurde, war profil ein Cover wert, wobei die deutsche Landkarte vom Konterfei eines „Volkskanzler” namens Adolf Hitler übermalt war und Thüringen den Fleck mit dem sattsam bekannten Bärtchen abbekam. Ein Kreativitätsstreich von profil-Artdirektor Erich Schillinger. 

Vielleicht gelingt es ja noch, die AfD aus den Regierungskoalitionen fern zu halten, fest steht in jedem Fall, dass es an diesem Sonntag zu einem historischen Ereignis gekommen war: Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik konnte eine rechtsextreme Partei die Führung übernehmen. Die Schleusen sind also geöffnet.

Wen wir wählen

Was machen so Volksverteter und Volksvertreterinnen eigentlich, wenn der Parlamentstag sich über Gebühr zieht? Oder sie gar nicht vor Ort sind? Braucht es da eine Entschuldigung oder herrscht im Parlament ein Kommen und Gehen nach persönlichem Gutdünken?

Ein profil-Team, bestehend aus Gernot Bauer, Iris Bonavida, Daniela Brescakovic, Eva Linsinger und Max Miller, konfrontierte die 183 Abgeordneten mit ausgeklügelten Fragebögen und war nahezu erstaunt über den eifrigen Rücklauf und die bereitwillige Beantwortung der Frage. Logischerweise ein ideales Cover-Thema so knapp vor der Nationalratswahl.

Eine kurze Bilanz:  87,5 Prozent der Befragten waren mit der finanziellen Entlohnung sehr und eher zufrieden; weniger gut fiel die Beurteilung für die zur Verfügung stehenden Ressourcen aus - 50 Prozent beantworteten diese Frage mit „Nein” und „eher nein.“ Das Team lüftete auch das Geheimnis „des hässlichsten Bilds im ganzen Parlament”, das NEOS-Abgeordnete Henrike Brandstötter immer wieder gerne Besuchern vor Augen führte: Ein bemaltes Holzrelief, das den früheren ÖVP-Nationalratspräsidenten Andreas Khol mit verzerrtem Gesichtsausdruck zeigt. Noch immer ist der Frauenanteil (40,98) im Parlament deutlich niedriger als bei den Männern, wobei, wie wenig überraschend, die Grünen die meisten weiblichen Abgeordneten (61,5%) und die Freiheitlichen den geringsten Anteil an Frauen (13,3 %) anzubieten haben.

Zucker spinnen, Kinder scheiteln

Es ist ja auch so, dass die sogenannten „tradwives” in den sozialen Medien meistens aus fundamentalistischen christlichen und ultrarechten Milieus stammen. Das Wort-Hybrid aus „Tradition” und „Ehefrau” überschwemmt zu Zeit das Netz, allein auf TikTok wurde der Hashtag 600 Millionen Mal angezeigt. Feministisch motivierte Selbstverwirklichung wird unter den Tradwives, die unter Kürzeln wie „happyapron”, „ballerinafarm”, „stayathomemum” Zucker spinnen, Kinderscheitel streicheln und stolz auf ihre finanzielle Abhängigkeit sind, als „urbane Verwirrung” und „willfährige Zerstörung der Familie” kategorisiert . „Zwischen Steinzeitkeule und Mutterkreuz” verortete die deutsche Schrifstellerin Karen Duve solche mit Stolz vorgetragene Unterwerfungsfantasien. 

Der FPÖ-Plakatslogan „Euer Wille geschehe” könnte durchaus auch von so einer Trad-Prinzessin ihrem Gatten entgegen gehaucht werden, wenn der abends von des Tages Müh in so eine Norman-Rockwell-artige Idylle und in eine duftende Apple-Pie plumpst.

O tempora, o mores, hätte Cicero geseufzt. 

Und man möchte es ihm gleich tun.

Angelika   Hager

Angelika Hager

leitet das Gesellschafts-Ressort