Morgenpost

In Wien lebender Mann als „Hamas-Führer“ sanktioniert

Das US-Finanzministerium verhängt Sanktionen über einen in Wien lebenden Palästinenser. Er soll einer der Führer der Hamas in Europa sein. In Österreich wurden alle Ermittlungen gegen den Mann eingestellt.

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7. Oktober 2024. Das US-Finanzministerium hat den Jahrestag der Anschläge der Hamas auf Israel zum Anlass genommen, um die Daumenschrauben gegen die Terrororganisation noch einmal anzuziehen. Es wurden neue Sanktionen erlassen: gegen eine Bank in Gaza, einen Verein, einen prominenten Hamas-Financier und drei „Schlüsselfiguren“ eines angeblichen Hamas-Spenden-Netzwerks in Europa. Eine dieser „Schlüsselfiguren“ ist Adel D., er lebt in Wien und war Gründer der „Palästinensische Vereinigung Österreich“ (PVÖ).

„Adel D. ist für die Aktivitäten der Hamas in Österreich zuständig und einer der prominentesten Hamas-Vertreter in Europa. Er steht in engem Kontakt mit hochrangigen Hamas-Führern und hatte leitende Positionen in mit der Hamas verbundenen Institutionen inne, die Geld an die Organisation überweisen. D. nimmt im Namen der Hamas an Konferenzen und Delegationen teil und arbeitet mit anderen Institutionen zusammen, die von den Vereinigten Staaten wegen ihrer Verbindung zur Hamas benannt wurden, darunter die Union of Good und die al-Quds International Institution“, schreibt die US-Behörde.

Immer wieder Reibepunkte

Ein wichtiges Indiz: Im Internet findet sich ein Foto von Adel D. aus dem Jahr 2012. Er war dort bei einer Konferenz in Gaza, steht in der ersten Reihe in einer Gruppe Männer. Er trägt einen Palästinenserschal um den Hals und ein Lächeln auf den Lippen - ein Schnappschuss, wie D. später sagt. Neben ihm steht Ismail Haniyeh. Der langjährige politische Führer der Hamas wurde im Juli dieses Jahres in Teheran von den Israelis erschossen.

Die USA reiben sich nicht das erste Mal an Adel D. – die Behörden hatten ihn bereits 2003 das erste Mal wegen Terrorfinanzierung in Verdacht und erhoben Sanktionen. Aber nicht nur die USA machten über die vergangenen 20 Jahre immer wieder auf den palästinensisch-stämmigen Mann aufmerksam, sondern auch die israelischen Behörden. Sie verdächtigen den Mann über die PVÖ Spenden gesammelt und diese der Hamas zukommen gelassen zu haben.

Mit Österreich wurden immer wieder geheimdienstliche Informationen geteilt, die allerdings nicht gerichtsverwertbar gemacht werden konnten. Mehrfach versuchten die heimischen Behörden D. dingfest zu machen. Es gab mehrere Razzien, zuletzt im Zuge der sogenannten Operation Luxor – sie richtete sich gegen die angebliche Muslimbruderschaft in Österreich. Adel D. war einer von mehr als hundert Beschuldigten. 

Viele Indizien, keine harten Beweise

Im profil vorliegenden Akt finden sich nach Auswertungen auch weitere, verhängnisvolle Fotos von D. Auf einem ist er mit prominenten Hamas-Spendensammlern zu sehen. Die Ermittler froren Adel D.s Konten ein– durchforsteten seine Finanzen. Die Vorwürfe wiegen schwer – die Verdachtsmomente gingen von Wiederbetätigung bis Terrorfinanzierung. Im Februar 2023 wurde alles eingestellt. Aus vielen Indizien, dass er Spendengelder eben nicht für karitative Zwecke verwenden würde, wurden trotz intensiver Ermittlungen nie harte Beweise. 

Auf Anfrage bei Adel D.s Anwalt heißt es gegenüber profil: „Die nunmehrige erneute Aufnahme auf die US-Sanktionsliste ist ebenso überraschend wie willkürlich. Die zuständigen Behörden haben meinem Mandanten weder eine Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben, noch wurde er von dem Vorhaben zur erneuten Aufnahme in die Liste vorab in Kenntnis gesetzt. Es wird erneut völlig unsubstantiiert der bereits mehrfach widerlegte Vorwurf vorgetragen, wonach mein Mandant ein „prominenter Vertreter der Hamas in Europa“ sei. Dieser Vorwurf wird durch sein wiederholtes Vortragen aber nicht wahrer.“

Anna  Thalhammer

Anna Thalhammer

ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.